Die Fünfundvierzig
rückwärts.
»Ah! ich täusche mich,« sagte Chicot, »Ihr wart nicht mein Nachbar, als ich abreiste, und, Gott vergebe mir, dennoch kenne ich Euch.«
»Und ich kenne Euch auch,« erwiderte der junge Mann.
»Ihr seid der Herr Vicomte Ernauton von Carmainges.«
»Und Ihr, Ihr seid der Schatten.«
»In der Tat,« rief Chicot, »ich falle aus den Wolken.« »Was wünscht Ihr, mein Herr?« fragte der junge Mann etwas ärgerlich.
»Verzeiht, ich störe Euch wohl, mein lieber Herr.« – »Nein, doch Ihr werdet mir wohl erlauben, Euch zu fragen, was zu Euren Diensten steht?«
»Nichts, wenn nicht, daß ich mit dem Herrn des Hauses sprechen wollte.« – »Sprecht also!«
»Wieso?« – »Der Herr des Hauses bin ich.«
»Ihr? Ich bitte, seit wann?« – »Seit drei Tagen.«
»Gut! das Haus war also zu verkaufen?« – »Es scheint, da ich es gekauft habe.«
»Aber der ehemalige Eigentümer?« – »Bewohnt es nicht mehr, wie Ihr seht.«
»Wo ist er?« – »Ich weiß es nicht.«
»Verständigen wir uns, mein Herr.« – »Das ist mir ganz lieb,« erwiderte Ernauton mit sichtbarer Ungeduld; »nur wollen wir uns rasch verständigen.«
»Der ehemalige Eigentümer war ein Mann von fünfundzwanzig bis dreißig Jahren, der aber vierzig zu sein schien.« – »Nein; es war ein Mann von fünfundsechzig bis sechsundsechzig Jahren, was sein Alter zu sein schien.«
»Kahl.« – »Nein, im Gegenteil, mit einem Wald weißer Haare.«
»Nicht wahr, er hatte eine ungeheure Narbe an der linken Seite seines Kopfes?« –. »Die Narbe habe ich nicht gesehen, aber eine große Anzahl von Runzeln.«
»Das begreife ich nicht.« – »Nun, so sprecht,« sagte Ernauton, nachdem er einen Augenblick geschwiegen, »was wolltet Ihr von diesem Mann, mein lieber Herr Schatten?«
Chicot wollte sagen, was seine Absicht war; doch plötzlich schien es ihm besser, an sich zu halten, und er erwiderte: »Ich wollte ihm einen kleinen Besuch machen, wie man dies unter Nachbarn zu tun pflegt.«
Auf diese Art log Chicot nicht und verriet nichts.
»Mein lieber Herr,« sagte Ernauton höflich, zugleich aber die Öffnung der Tür beträchtlich vermindernd, die er mit der Hand hielt, »mein lieber Herr, ich bedaure, Euch keine genaue Auskunft geben zu können.«
»Ich danke, mein Herr,« sagte Chicot, »ich werde anderswo suchen.«
»Aber,« fuhr Ernauton fort, während er die Türimmer mehr zumachte, »aber das hält mich nicht ab, mir zu dem Zufall, der mich mit Euch wieder in Berührung setzt, Glück zu wünschen.«
»Du möchtest mich gern beim Teufel sehen, nicht wahr?« dachte Chicot, während er den Gruß erwiderte.
Doch da Chicot sich immer noch nicht zurückzog, sagte Ernauton, von dem nur noch das Gesicht zwischen der Tür und dem Pfosten sichtbar war: »Auf baldiges Wiedersehen, mein Herr.«
»Nur noch einen Augenblick, Herr, von Carmainges.«
»Mein Herr,« entgegnete Ernauton, »zu meinem großen Bedauern kann ich nicht länger verweilen; ich erwarte jemand, der gerade an diese Tür klopfen soll, und dieser jemand würde es mir sehr verargen, wenn ich bei seinem Empfang nicht mit aller möglichen Diskretion zu Werke ginge.«
»Das genügt, mein Herr, ich begreife,« sagte Chicot; »verzeiht, daß ich Euch belästigt habe, ich entferne mich.«
»Gott befohlen, lieber Herr Schatten.«
»Gott befohlen, würdiger Herr Ernauton.«
Hierauf machte Chicot einen Schritt rückwärts und sah, wie man ihm die Tür vor der Nase schloß.
Chicot bedachte, daß es sehr seltsam sei, Ernauton sich so als Herrn in dem geheimnisvollen Hause einnisten zu sehen, dessen Bewohner so plötzlich verschwunden waren. Um so mehr, als sich auf diese früheren Bewohner ein Satz im Briefe des Herzogs von Guise, der den Herzog von Anjou betraf, beziehen konnte.
Es kam ihm seltsam vor, daß er Ernauton in diesem Hause sah, wo er Remy gesehen hatte, einmal, weil sich diese beiden gar nicht kannten; es mußte also noch ein Chicot unbekannter Vermittler im Spiele sein.
Zweitens wunderte er sich, weil dieses Haus an Ernauton verkauft worden war, der kein Geld besaß, um es zu kaufen.
»Es ist wahr,« sagte Chicot zu sich selbst, indem ersich so bequem als möglich auf seiner Dachrinne, seinem gewöhnlichen Beobachtungsposten, einrichtete, »der junge Mann behauptet, er werde einen Besuch bekommen, und dieser Besuch sei der einer Frau; heutzutage sind die Frauen reich und erlauben sich manches. Ernauton ist schön, jung, zierlich, Ernauton hat gefallen, Man
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