Die Fünfundvierzig
Chicot. Und er ließ seinen Kopf auf seine Arme fallen, die schon auf dem Tisch lagen.
»Ah! Ihr wißt, daß ich einen Brief für die Herzogin habe?« fragte der Kapitän mit gepreßter Stimme. – »Ich weiß es ganz genau,« ruckste Chicot.
»Und wenn Ihr Euch auf Euren Beinen halten könnt, werdet Ihr in den Louvre gehen?« – »Ich werde in den Louvre gehen.«
»Und mich angeben?« – »Und Euch anzeigen.«
»Es ist also kein Scherz?« – »Was?«
»Daß, sobald Euer Schlaf beendigt ist ...« – »Nun?«
»Der König alles erfährt?« – »Aber, mein lieber Freund,« sagte Chicot, indem er den Kopf in die Höhe hob und Borromée mit matten Augen anschaute; »begreift doch; Ihr seid Verschwörer, ich bin Spion; ich habe so und so viel für jedes Komplott, das ich anzeige; Ihr habtein Komplott angezettelt, ich zeige Euch an. Wir treiben jeder sein Gewerbe. Gute Nacht, Kapitän.«
»Ah!« sagte Borromée, ein Flammenauge auf seinen Gefährten heftend, »ah, du willst mich anzeigen, lieber Freund?« – »Sobald ich wach sein werde, teurer Freund, das ist abgemacht.«
»Noch du mußt wissen, ob du auch erwachst,« rief Borromée und führte dabei einen so wütenden Degenstoß gegen den Rücken seines Zechgenossen, daß er ihn völlig zu durchbohren und auf den Tisch zu nageln glaubte. Er hatte aber ohne das von Chicot aus Dom Modestes Waffenlager entlehnte Panzerhemd gerechnet. Der Degen zerbrach wie Glas auf diesem starken Panzerhemd, dem Chicot zum zweiten Male das Leben zu verdanken hatte. Und ehe sich der Mörder von seinem Staunen erholte, spannte sich Chicots rechter Arm wie eine Feder ab, beschrieb einen Halbkreis und gab Borromée einen fünfhundert Pfund schweren Faustschlag ins Gesicht, daß er ganz blutig und zerquetscht an die Wand rollte.
In einer Sekunde stand Borromée wieder, in einer zweiten hatte er seinen Degen in der Hand. Diese zwei Sekunden waren aber für Chicot hinreichend gewesen, sich ebenfalls wieder aufzurichten und vom Leder zu ziehen. Alle Weindünste waren wie durch einen Zauber verschwunden; Chicot hielt sich halb auf sein linkes Bein zurückgeworfen, das Auge starr, das Faustgelenk fest und bereit, seinen Feind zu empfangen.
Der Tisch streckte sich wie ein Schlachtfeld, worauf die leeren Flaschen lagen, zwischen den Gegnern aus und diente jedem als Verschanzung. Doch der Anblick des Blutes, das von seiner Nase auf sein Gesicht und von seinem Gesicht auf die Erde floß, berauschte Borromée, und er stürzte, jeder Klugheit bar, so nahe auf seinen Feind zu, als es der Tisch erlaubte.
»Doppelter Dummkopf,« sagte Chicot, »du siehst wohl, daß du trunken bist, denn von der einen Seite des Tischeszur andern kannst du mich nicht erreichen, während mein Arm sechs Zoll länger als deiner, und mein Degen ebenfalls sechs Zoll länger als deiner ist. Nimm dies zum Beweis.« Und ohne auszufallen, streckte Chicot seinen Arm mit der Geschwindigkeit des Blitzes vor und stieß Borromée mitten auf die Stirn. Borromée schrie laut auf, mehr jedoch aus Zorn als aus Schmerz, und da er trotz allem ungemein mutig war, so griff er mit verdoppelter Erbitterung an.
Chicot nahm, immer auf der andern Seite des Tisches, einen Stuhl, setzte sich ganz ruhig und sagte, die Achseln zuckend: »Mein Gott! wie albern doch die Soldaten sind! Sie behaupten, sie verstehen den Degen zu handhaben, und der geringste Bürger könnte sie wie Mücken töten. Gut, gut! nun will er mir ein Auge ausstoßen. Ah! du steigst auf den Tisch; das fehlte nur noch. Doch nimm dich in acht, du erzdummer Esel, die Stöße von unten nach oben sind furchtbar, und wenn ich wollte, würde ich dich spießen wie eine Lerche.«
Und er stieß ihn in den Bauch, wie er ihn auf die Stirn gestoßen hatte.
Borromé wurde rot vor Wut und sprang vom Tische herab.
»So ist es gut,« sagte Chicot, »wir sind nun auf gleicher Höhe und können plaudern, während wir fechten. Ah! Kapitän, Kapitän, wir morden also hin und wieder, zwischen zwei Komplotten?«
»Ich tue für meine Sache, was Ihr für die Eurige tut,« erwiderte Borromée, zu ernsten Gedanken zurückgeführt und unwillkürlich erschrocken über das düstere Feuer, das aus Chicots Augen sprang.
»Das heiße ich sprechen,« versetzte Chicot, »und dennoch, Freund, sehe ich mit Vergnügen, daß ich's besser verstehe als Ihr.«
Borromée hatte einen Stoß nach Chicot geführt, der dessen Brust gestreift.
»Nicht schlecht, doch ich kenne den Stoß; es ist der,den Ihr dem
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