Die Furcht des Weisen / Band 1
ein Quentchen Asche aus dem Kamin mitgenommen. Das war keine allzu tolle Quelle, und sie war viel weiter entfernt, als mir lieb war, aber es war besser als nichts.
Dennoch konnte ich sie wahrscheinlich nur ein paar Minuten lang so erstarrt halten, ehe ich so viel Energie aus dem Kaminfeuer abgezogen hatte, dass es davon erlosch. Das musste genügen, um ihr die Wahrheit zu entlocken und die von ihr angefertigte Puppe an mich zu nehmen.
Devi blickte hektisch hin und her und versuchte verzweifelt, sich zu bewegen. »Was fällt dir ein!«, schrie sie.
»Was fällt
dir
ein!«, spie ich wütend zurück. »Ich fass es nicht, dass ich dir vertraut habe! Und dann hab ich dich auch noch vor meinen Freunden verteidigt, obwohl –« Ich verstummte, denn das Unvorstellbare geschah. Devi begann sich trotz meiner Bindung zu bewegen: Ihre Hand schob sich ganz langsam in die halb geöffnete Schublade hinein.
Ich konzentrierte mich stärker, und Devis Hand verharrte. Dann begann sie sich ganz langsam wieder zu bewegen, bis sie in |311| der Schublade zu verschwinden begann. Ich konnte es nicht glauben.
»Du bildest dir ein, du könntest hier herkommen und mir drohen?«, zischte Devi, ihr Gesicht verzerrt vor Zorn. »Du glaubst, ich könnte mich nicht verteidigen? Ich hab’s zum Re’lar gebracht, bevor sie mich rausgeschmissen haben, du Armleuchter. Und ich habe mir das verdient. Mein Alar ist so stark wie der stürmische Ozean.« Ihre Hand befand sich nun fast ganz innerhalb der Schublade.
Der Schweiß brach mir aus. Schnell teilte ich meinen Geist in drei weitere Teile auf. Ich murmelte etwas, und jeder dieser Teile stellte eine eigene Bindung her, die allesamt dazu bestimmt waren, Devi stillzustellen. Ich speiste meine Körperwärme hinein und spürte, wie mir Kälte die Arme hinaufkroch. Es waren jetzt insgesamt fünf Bindungen. Mein absolutes Limit.
Devi verharrte reglos wie ein Stein, aber tief in der Kehle kicherte sie, und sie grinste. »Oh, nicht schlecht. Fast könnte ich die ganzen Geschichten glauben, die man sich über dich erzählt. Aber wie kommst du darauf, dass du etwas zustande bringen könntest, das nicht einmal Elxa Dal vermochte? Was glaubst du denn, warum sie mich rausgeschmissen haben? Sie hatten einfach Angst vor einer Frau, die schon im zweiten Studienjahr mit einem Meister mithalten konnte.« Das Haar klebte ihr schweißnass auf der Stirn. Sie biss die Zähne zusammen, und ihr elfenhaftes Gesicht sah ganz wild aus vor Entschlossenheit. Erneut begann sich ihre Hand zu bewegen.
Dann, mit einem Ruck, riss sie die Hand aus der Schublade, als hätte sie sie aus zähem Schlamm befreit. Sie knallte einen runden Metallgegenstand so heftig auf die Schreibtischplatte, dass die Lampenflamme flackerte. Es war keine Wachspuppe. Und es war auch nicht das Fläschchen mit meinem Blut.
»Du kleiner Dreckskerl«, sagte sie, und es klang fast wie ein Singsang. »Glaubst du wirklich, ich wäre auf so was nicht vorbereitet? Glaubst du wirklich, du wärst der Erste, der hier versucht, mir dumm zu kommen?« Sie drehte die Oberseite des grauen, kugelförmigen Metallgegenstands. Es klickte vernehmlich, und dann zog sie langsam die Hand zurück. Obwohl ich alles versuchte, gelang es mir einfach nicht, sie stillzustellen.
|312| Da erkannte ich das Gerät, das sie aus der Schublade gezogen hatte. Ich hatte mich im vergangenen Trimester gemeinsam mit Manet mit diesen Dingen beschäftigt. Kilvin bezeichnete es als »exothermen Beschleuniger«, alle anderen aber sagten einfach nur »Taschenofen« dazu.
Diese Geräte enthielten Kerosin, Naphtha oder Zucker. Wenn man sie in Betrieb nahm, erzeugten sie mit der Verbrennung dieses Stoffs gut fünf Minuten lang eine enorme Hitze. Anschließend mussten sie zerlegt, gereinigt und neu befüllt werden. Der Umgang mit ihnen war schmutzig und riskant, und aufgrund der schnellen Erhitzung und Abkühlung gingen diese Geräte leicht kaputt. Doch eine kurze Zeit lang spendeten sie einem Sympathiker eine immense Menge Energie.
Ich versenkte mich in das Steinerne Herz, spaltete einen weiteren Teil meines Geistes ab und murmelte eine Bindung. Dann versuchte ich es mit einer siebten Bindung, scheiterte aber daran. Ich war erschöpft und litt Schmerzen. Kälte kroch mir die Arme hinauf, und ich hatte in den vergangenen Tagen viel durchgemacht. Dennoch biss ich die Zähne zusammen und murmelte die Worte vor mich hin.
Devi schien diese sechste Bindung nicht einmal zu bemerken. Sie bewegte sich so
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