Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
Vom Netzwerk:
voller Verachtung an, dass mir jetzt noch davon schaudert, wenn ich daran denke. Dann spuckte sie mich an, und kleine Speichelspritzer landeten auch auf dem Taschenofen und lösten sich zischend in Dampf auf. »Wenn ich dich jemals wiedersehe, und sei’s auch nur im Augenwinkel, wird es ein schlimmes Ende mit dir nehmen.«
    Sie hob die Wachspuppe hoch empor und schlug dann damit auf die Schreibtischplatte, die flache Hand obendrauf. Wenn ich in der Lage gewesen wäre, zusammenzuzucken oder panisch aufschreien, hätte ich es getan.
    Die Puppe zerbarst, Arme und Beine brachen ab, und der Kopf |315| kullerte über den Tisch und fiel zu Boden. Ich spürte einen plötzlichen, schmerzhaften Aufprall, als wäre ich aus zwei Meter Höhe flach auf einen Steinboden geknallt. Es war ein bestürzendes Gefühl, aber längst nicht so schlimm, wie es hätte sein können. Trotz meines Entsetzens staunte etwas in mir über ihre Präzision und sichere Beherrschung der Macht.
    Die Bindung, die mich gefesselt hatte, fiel von mir ab, und ich holte tief Luft. »Ich habe verstanden, Devi«, sagte ich. »Aber darf ich –«
    »RAUS!«, schrie sie.
    Ich ging. Gern würde ich behaupten, dass es ein würdevoller Abgang war, doch das entspräche nicht der Wahrheit.

|316| Kapitel 27
Druck
    W il und Sim warteten hinten im Schankraum des ANKER’S auf mich. Ich brachte ihnen zwei Krüge Bier, dann ein Tablett, das hoch beladen war mit frischem Brot und Butter, Käse und Obst, und schließlich zwei große Teller Rübeneintopf mit ordentlich Rindfleisch drin.
    Wilem rieb sich mit dem Handballen ein Auge. Unter seinem dunklen kealdischen Teint sah er ein bisschen kränklich aus, aber sonst schienen ihm die drei Nächte, in denen er nicht allzu viel Schlaf bekommen hatte, nicht sonderlich zuzusetzen. »Was gibt’s denn zu feiern?«, fragte er.
    »Ich will bloß, dass ihr bei Kräften bleibt«, sagte ich.
    »Ich bin euch weit voraus«, sagte Sim. »Ich hab in der Sublimations-Vorlesung ein erquickendes Nickerchen eingelegt.« Er hatte zwar dunkle Ringe unter den Augen, wirkte ansonsten aber auch nicht allzu mitgenommen.
    Wilem begann seinen Teller zu beladen. »Du sagtest, du hättest Neuigkeiten. Was denn für Neuigkeiten?«
    »Gute und schlechte«, erwiderte ich. »Welche wollt ihr zuerst hören?«
    »Zuerst die schlechten«, sagte Simmon.
    »Kilvin weigert sich, mir den Konstruktionsplan zu geben, den ich bräuchte, um mir ein eigenes Gram zu bauen. Es geht um die Sygaldrie, die dabei eine Rolle spielt. Runen für Blut und Knochen und so. Er meint, das wäre zu gefährlich, um es einem Re’lar anzuvertrauen.«
    Simmon sah mich neugierig an. »Hat er auch gesagt, weshalb?«
    |317| »Nein, hat er nicht«, erwiderte ich. »Aber ich kann’s mir denken. Ich könnte diese Runen dazu nutzen, alle möglichen üblen Dinge herzustellen. Wie beispielsweise eine Metallscheibe mit einer kleinen Vertiefung in der Mitte. Wenn man da einen Tropfen Blut hineingäbe, könnte man denjenigen, von dem das Blut stammt, bei lebendigem Leib verbrennen.«
    »Gott, ist das scheußlich«, sagte Sim und setzte den Löffel ab. »Hast du eigentlich auch mal irgendwelche netten Ideen?«
    »Jedes Mitglied des Arkanums könnte das Gleiche mit ganz grundlegender Sympathie bewirken«, bemerkte Wilem.
    »Mit einem großen Unterschied«, erwiderte ich. »Wenn ich dieses Gerät erst einmal gebaut hätte, könnte
jeder
es benutzen. Und zwar immer wieder.«
    »Das wäre doch Wahnsinn«, sagte Simmon. »Warum sollte irgendjemand so was bauen wollen?«
    »Geld«, erwiderte Wilem grimmig. »Die Leute machen doch ständig wegen Geld irgendwelchen Blödsinn.« Er sah mich vielsagend an. »Wie beispielsweise sich was bei blutgierigen
Gattesors
zu leihen.«
    »Womit wir bei meiner zweiten Neuigkeit wären«, sagte ich beklommen. »Ich war bei Devi und habe sie zur Rede gestellt.«
    »Ganz allein?«, sagte Simmon. »Bist du jetzt komplett bescheuert?«
    »Ja, bin ich«, erwiderte ich. »Aber nicht so, wie du denkst. Es hat eine unschöne Szene gegeben, aber ich weiß jetzt, dass sie nicht für die Angriffe verantwortlich ist.«
    Wilem runzelte die Stirn. »Wenn nicht sie, wer dann?«
    »Da bleibt nur eine Möglichkeit«, sagte ich. »Ambrose.«
    Wil schüttelte den Kopf. »Das haben wir doch schon durchdekliniert. Ambrose würde so was niemals riskieren. Er –«
    Ich hob eine Hand, und er verstummte. »Er würde es niemals riskieren, ein Sympathievergehen gegen
mich
zu begehen«, sagte ich.

Weitere Kostenlose Bücher