Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
Vom Netzwerk:
unserer Suche durchforsteten Wilem, Simmon und ich gerade in unserem Lesezimmer einen neuen Stapel Bücher, als die Tür aufging und Fela hereinkam. Statt wie sonst beide Arme voll hatte sie diesmal nur ein einziges Buch dabei. Und sie atmete schwer.
    »Ich hab’s«, sagte sie, und ihre Augen strahlten. Ihre Stimme klang so aufgeregt, dass sie geradezu leidenschaftlich wirkte. »Ich hab ein Exemplar gefunden.« Sie hielt uns das Buch hin, und auf dem Titelschild des dicken Lederbands stand in goldenen Lettern:
Facci-Moen ve Scrivani
.
    Wir waren im Laufe unserer Suche auf die
Scrivani
gestoßen. Das war eine umfassende Sammlung von Bauplänen des vor langer Zeit schon verstorbenen Magiers und Handwerksmeisters Surthur. Zwölf umfangreiche Bände voll detaillierter Abbildungen und Beschreibungen. Als wir das Register fanden, glaubten wir, schon fast am Ziel unserer Suche angelangt zu sein, denn darin stand: »Bau-Plan für eyn wundersam Fünffer-Gramme«. Zu finden in Band 9, ab Seite 82.
    Wir spürten acht Ausgaben der
Scrivani
in der Bibliothek auf, aber keine war vollständig. Die Bände 7, 9 und 11 fehlten bei jeder. Sie waren zweifellos in Kilvins Privatbibliothek versteckt.
    Auf diese Suche verwandten wir zwei ganze Tage, bis wir die Hoffnungen, die wir in die
Scrivani
gesetzt hatten, schließlich wieder aufgaben. Nun aber hatte Fela es gefunden: nicht nur ein Puzzleteil, sondern gewissermaßen das ganze Puzzle, fertig gelöst.
    »Ist es wirklich der richtige Band?«, fragte Simmon aufgeregt und ungläubig.
    Fela nahm langsam die Hand vom unteren Teil des Buchrückens, und eine goldene
9
kam zum Vorschein.
    Ich sprang vom Stuhl auf, stieß ihn dabei fast um und stürmte zu ihr. Sie aber lächelte und hielt sich das Buch hoch über den Kopf. »Erst musst du mir ein Abendessen versprechen«, sagte sie.
    Ich lachte und griff nach dem Buch. »Wenn das hier vorbei ist, lade ich euch alle zum Abendessen ein.«
    Sie seufzte. »Und du musst mir sagen, dass ich die beste Bibliothekarin aller Zeiten bin.«
    |324| »Du bist die beste Bibliothekarin aller Zeiten«, sagte ich. »Du bist doppelt so gut, wie Wil je sein könnte, selbst wenn er ein Dutzend Hände und hundert zusätzliche Augen hätte.«
    »Igitt«, sagte sie und gab mir das Buch. »Bitte schön.«
    Ich legte es auf den Tisch und schlug es hastig auf. »Bestimmt fehlen die Seiten mit dem Bauplan oder irgendwas in der Art«, sagte Simmon leise zu Wil. »Es kann jetzt nicht so einfach sein. Ich weiß ganz sicher, dass jetzt wieder irgendwas dazwischenkommt.«
    Ich hörte auf zu blättern, rieb mir die Augen und starrte auf die Schrift.
    »Wusst’ ich’s doch«, sagte Sim, kippelte auf seinem Stuhl nach hinten und hielt sich die Augen zu. »Lass mich raten: Schimmelbefall. Oder Bücherwürmer. Oder beides.«
    Fela blickte mir über die Schulter. »Oh nein!«, sagte sie. »Ich hab gar nicht reingeguckt. Ich war so aufgeregt.« Sie sah uns an. »Kann einer von euch Alt-Vintisch lesen?«
    »Ich kann das seltsame Kauderwelsch lesen, das ihr Aturisch nennt«, sagte Wilem säuerlich. »Ich finde, damit bin ich mehrsprachig genug.«
    »Ich beherrsche nur ein paar Brocken«, sagte ich. »Nur ein paar Dutzend Vokabeln.«
    »Ich kann’s«, sagte Sim.
    »Echt?« Ich spürte wieder Hoffnung in mir aufkeimen. »Wann hast du das denn gelernt?«
    Sim rutschte auf seinem Stuhl herbei. »In meinem ersten Trimester als E’lir hab ich mal einige alt-vintische Gedichte gehört. Und dann hab ich beim Rektor drei Trimester lang Alt-Vintisch studiert.«
    »Für Lyrik hab ich mich ja nie groß interessiert«, sagte ich.
    »Da entgeht dir was«, sagte Sim und blätterte ein wenig in dem Buch hin und her. »Die alt-vintische Lyrik ist mächtig gewaltig. Das haut einen um.«
    »Was ist das denn für ein Versmaß?«, fragte ich, nun doch neugierig geworden.
    »Nach solchen Sachen brauchst du mich nicht zu fragen, die Fachbegriffe kenne ich nicht«, sagte Simmon und fuhr mit einem Finger die vor ihm liegende Buchseite hinab. »Es geht ungefähr so:
    Wir suchten des Surthur
    Das lange verlorene,
    Doch fest in der Freundschaft
    Erhitzt von der Hatz
    Ihr Herz schlägt heftig,
    Die Wangen vor Wallung

Wortwerk Scrivani,
    ohne Hoffnung im Herzen.
    ward die Buchbringerin fündig.
    jauchzt die Jägerin Fela.
    zum Blühen bringt das Blut
    im Rot-Schein der Schönheit.
    |325| Etwa in diesem Stil«, sagte Simmon und überflog weiter den vor ihm liegenden Text.
    Ich sah, wie Fela den Kopf in seine

Weitere Kostenlose Bücher