Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
Vom Netzwerk:
abperlen.«
    »Und woher verfügst du über diese äußerst interessante Information, wenn man fragen darf?«, sagte Simmon, dem seine Beklommenheit anzumerken war.
    Fela errötete und senkte den Kopf ein wenig, so dass ihr langes Haar über die Schultern nach vorne fiel. »Vom Kerzenfärben. Wenn man bunte Kerzen herstellt, kann man dabei auch keine wasserlöslichen Farben verwenden. Da nimmt man irgendwelche Pulver oder Öle. Es ist eine Frage der Löslichkeit.«
    »Ich liebe unsere Universität«, sagte Sim zu Wilem, übers Feuer hinweg. »Gebildete Frauen sind doch einfach viel attraktiver.«
    »Das Gleiche würde ich umgekehrt auch gern behaupten«, bemerkte Mola trocken. »Aber ein wirklich gebildeter Mann ist mir leider noch nicht untergekommen.«
    |353| Ich bückte mich, nahm ein wenig Asche aus der Feuergrube und streute sie mir auf den Handrücken, so dass sie das Blut aufsog.
    »Ja, so müsste es gehen«, sagte Fela.
    »Feuer soll dies Fleisch fortsenden. Alles wird als Asche enden«, intonierte Wilem in trauervollem Tonfall und wandte sich dann an Simmon. »Heißt es nicht so in eurem heiligen Buch?«
    »Also,
mein
heiliges Buch ist das nicht«, erwiderte Sim. »Aber du warst nah dran. ›Alles wird als Asche enden. Feuer wird dies Fleisch heimsenden.‹«
    »Euch beiden scheint diese Sache ja geradezu Spaß zu machen«, bemerkte Mola.
    »Ich freue mich einfach darauf, mal wieder eine Nacht durchschlafen zu können«, erwiderte Wilem.
    Fela hielt mir den weichgekneteten Wachsklumpen hin, und ich drückte die feuchte Asche hinein. Sie knetete das Wachs weiter durch, und dann formten ihre Hände mit wenigen, geschickten Bewegungen eine menschenförmige Puppe daraus. Sie hielt sie empor, damit alle sie sehen konnten.
    »Kvothes Kopf ist aber viel größer«, sagte Simmon mit seinem jungenhaften Grinsen.
    »Ich habe auch Geschlechtsteile«, sagte ich, nahm die Puppe von Fela entgegen und befestigte auf ihrem Kopf ein Haar von mir. »Aber Realismus bringt’s nun mal ab einem bestimmten Punkt nicht mehr.« Ich ging zu Sim und übergab ihm die Puppe und die Hutnadel.
    Er nahm die Puppe in die linke und die Nadel in die rechte Hand und blickte beklommen zwischen ihnen hin und her. »Bist du dir wirklich sicher?«
    Ich nickte.
    »Na gut, wie du meinst.« Er atmete tief durch und straffte die Schultern. Dann starrte er die Puppe an und zog vor Konzentration die Stirn in Falten.
    Ich klappte zusammen und hielt mir kreischend das Bein.
    Fela schrie entsetzt. Wilem sprang auf. Simmon bekam vor Panik große Augen und hielt die Puppe und die Nadel so weit auseinander, wie er nur konnte. Er sah sich hektisch zu den anderen um. »Ich … ich hab gar nichts …«
    |354| Doch da richtete ich mich schon wieder auf und klopfte mir das Hemd ab. »Ich hab bloß ein bisschen geübt«, sagte ich. »War der Schrei zu mädchenhaft?«
    Simmon schien geradezu überwältigt von Erleichterung. »Verdammt noch mal. Das ist nicht witzig, du Blödmann«, sagte er und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    Wilem murmelte etwas auf Siaru und setzte sich wieder.
    »Ihr drei könntet auch als Theatertruppe auftreten«, sagte Mola.
    Simmon atmete tief durch. Dann hielt er die Puppe und die Nadel wieder vor sich. Ihm zitterten die Hände. »Grundgütiger Tehlu«, sagte er. »Du hast mir einen Mordsschreck eingejagt. Jetzt bringe ich das nicht mehr fertig.«
    »Um Himmels willen«, sagte Mola und ging um die Feuergrube herum zu Simmon. »Gib her.« Sie nahm die Wachspuppe und die Hutnadel, wandte sich wieder zu mir und sah mir in die Augen. »Bist du bereit?«
    »Augenblick!« Nach zwei Spannen ununterbrochener Wachsamkeit das mich beschützende Alar nun auf einmal von mir abfallen zu lassen, fühlte sich an, als würde man eine Faust aufhebeln, die ganz verkrampft war, nachdem sie allzu lange etwas umklammert hatte.
    Es dauerte einen Moment, und dann überlief mich ein leichter Schauder. Ohne Alar fühlte ich mich seltsam, gleichsam nackt. »Nimm keine Rücksicht. Aber beim ersten Mal bitte nur ins Bein. Sicher ist sicher.«
    Mola zögerte einen Moment lang, murmelte eine Bindung und stieß der Puppe die Nadel ins Bein.
    Stille. Alle starrten mich an.
    Ich spürte überhaupt nichts. »Alles bestens«, sagte ich. Erleichtertes Aufatmen in der Runde. »War das alles, was du drauf hast?«, fragte ich Mola.
    »Keineswegs«, erwiderte sie, zog die Nadel wieder hervor, bückte sich und hielt sie ins Feuer. »Das war nur ein ganz vorsichtiger

Weitere Kostenlose Bücher