Die Furcht des Weisen / Band 1
begehrte. Während ich die zweite Schublade aus dem Fenster wuchtete, konnte ich tatsächlich schon hören, wie sich der Brand innerhalb der Kommode durch das lackierte Holz und die Kleidungsstücke fraß.
Drunten auf der Straße taten die Leute, die von dem Spektakel angelockt worden waren, ihr Möglichstes, um die brennenden Trümmer zu löschen. Inmitten dieses Menschenpulks sprang Simmon in seinen neuen Nagelstiefeln herum und trampelte alles kurz und klein, wie ein Junge, der nach dem ersten warmen Frühlingsregen in den Pfützen herumplatscht. Selbst wenn die Puppe den Sturz auf die Straße überstanden hatte – Simmons Stiefel würde sie nicht überstehen.
Und das war keine Kleinigkeit. Devi hatte mir zwanzig Minuten zuvor signalisiert, dass sie es nun bereits mit der Wachspuppe probiert hatte. Da das keinerlei Folgen gezeitigt hatte, hatte Ambrose zweifellos Blut von mir dazu genutzt, eine Tonpuppe herzustellen. Mit einem schlichten Feuer ließ sich so etwas nicht zerstören.
Nacheinander riss ich nun auch die übrigen Schubladen aus der Kommode und schleuderte sie auf die Straße hinab. Ich hielt dabei nur kurz inne, um den dicken Samtvorhang von Ambroses Himmelbett herunterzureißen, mit dem ich meine Hände vor der Hitze des Feuers schützen konnte. Das mag kleinlich erscheinen, war es aber nicht. Ich hatte schreckliche Angst, mir die Hände zu verbrennen. Alle Begabungen, die ich besaß, hatten etwas mit meinen Händen zu tun.
Kleinlich war es, dass ich auf dem Rückweg vom Fenster dem Nachttopf einen Tritt verpasste. Es war ein teures Stück aus glasierter Keramik. Er kippte um, kullerte über den Boden, knallte schließlich an die Kaminsohle und zersprang. Und alles andere als eine köstliche Süßigkeit ergoss sich dabei über die teuren Teppiche.
Flammen loderten aus den nun leeren Schubfächern. Sie erhellten den Raum, und durch das zerschlagene Fenster drang ein wenig frische Luft herein. Schließlich war eine weitere Person tapfer genug, |372| sich in dieses Zimmer vorzuwagen. Der Mann schlang sich eine Decke aus Ambroses Bett um die Hände und half mir, die letzten brennenden Schubladen aus dem Fenster zu werfen. Es war die reine Drecksarbeit in einer Mordshitze, und als schließlich die letzte Schublade auf die Straße hinab flog, bekam ich einen Hustenanfall.
Das ganze war innerhalb von nicht mal drei Minuten vorüber. Einige Gäste schleppten aus dem Schankraum große Wasserkrüge herbei und löschten damit den immer noch brennenden Korpus der Kommode. Ich warf den schwelenden Samtvorhang aus dem Fenster und schrie: »Vorsicht da unten!«, damit Simmon Bescheid wusste, dass er aus dem verschlungenen Stoffhaufen meinen Belagerungsstein bergen sollte.
Lampen wurden angesteckt, und der Rauch lichtete sich allmählich, während durch das zerschlagene Fenster die kühle Nachtluft hereinzog. Leute kamen herein, um zu helfen oder nur zu gaffen und zu schwatzen. Vor der eingeschlagenen Zimmertür sammelte sich ein Pulk verblüffter Schaulustiger, und ich fragte mich nebenbei, was nach den Ereignissen dieses Abends wohl für Gerüchte die Runde machen würden.
Als das Schlafzimmer hell erleuchtet war, staunte ich über den Schaden, den der Brand angerichtet hatte. Der Korpus der Kommode war kaum mehr als eine Ansammlung verkohlter Bretter und Leisten, und an der nackten Wand dahinter war stellenweise der Putz von der Hitze aufgeplatzt. Auf der weißen Zimmerdecke hatte sich ein großer, schwarzer Rußfächer gebildet.
Vor dem Spiegel im Ankleidezimmer stellte ich erleichtert fest, dass meine Augenbrauen kaum etwas abbekommen hatten. Ansonsten sah ich aber ziemlich mitgenommen aus, und mein Gesicht war mit einer Schmiere aus Schweiß und Ruß bedeckt, in der das Weiß meiner Augen geradezu grell hervorstach.
Wilem kam herein und half mir, meine linke Hand zu verbinden. Nicht dass ich sie mir tatsächlich verbrannt hatte. Mir war nur klar, dass es sehr seltsam aussehen würde, wenn ich diesen Ort vollkommen unversehrt verließ. Davon abgesehen, dass ich mir ein wenig die Haare versengt hatte, bestanden meine schlimmsten Schäden aus den Löchern, die ich mir in die langen Ärmel meines Hemds gebrannt |373| hatte. Damit war ein weiteres Hemd ruiniert. Wenn das so weiterging, würde ich am Trimesterende nackt dastehen.
Ich ließ mich auf der Bettkante nieder und sah zu, wie die Leute noch mehr Wasser hereinschleppten und auf die verkohlte Kommode kippten. Dann machte ich sie auf einen
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