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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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nehme an, du bist mit unserem Plan vertraut?«
    Sie nickte. »Wie weit ist es von hier bis zu seinem Zimmer?«
    »Etwas über eine halbe Meile«, sagte ich. »Der Schlupf –«
    Devi schnitt mir mit einer Handbewegung das Wort ab. »Ich stelle meine eigenen Berechnungen an«, sagte sie in scharfem Ton.
    »Selbstverständlich.« Ich zeigte auf meinen Reisesack, der in der Nähe des Lagerfeuers lag. »Da drin sind Wachs und Ton.« Dann gab ich ihr einen kleinen Birkenzweig. »Ich werde dir damit signalisieren, sobald wir in Stellung gegangen sind. Fang mit dem Wachs an. Versuch es eine halbe Stunde lang, gib mir dann ein Signal, und mach anschließend mit dem Ton weiter. Mindestens eine Stunde lang.«
    Devi schnaubte. »Mit einem großen Feuer dahinter? Da brauche ich höchstens eine Viertelstunde.«
    |367| »Es könnte auch sein, dass sie gar nicht in seiner Sockenschublade steckt. Sie könnte auch irgendwo versteckt sein, wo nicht viel Luft drumherum ist.«
    Devi winkte ab. »Ich weiß, was ich tu.«
    Ich verbeugte mich. »Dann überlasse ich das jetzt deinen fähigen Händen.«
    »Das war alles?«, fragte Mola entrüstet. »Mir hast du stundenlang Vorträge gehalten! Mich hast du
abgefragt

    »Dafür ist jetzt keine Zeit«, erwiderte ich. »Du bleibst ja auch hier, um ihr notfalls beizustehen. Und außerdem zählt Devi zu der Handvoll Menschen, von denen ich annehme, dass sie bessere Sympathiker sind als ich.«
    Devi blickte mich finster an. »Annehme? Ich hab dir doch gerade erst gezeigt, wo der Hammer hängt. Du warst meine kleine Sympathiehandpuppe.«
    »Das ist zwei Spannen her«, sagte ich. »Seitdem habe ich viel dazugelernt.«
    »Handpuppe?«, sagte Sim zu Wilem. Wil machte eine erklärende Geste, und die beiden brachen in Gelächter aus.
    Ich winkte Wilem zu. »Gehn wir.«
    Ehe wir aufbrachen, gab Sim mir noch einen kleinen Tiegel.
    Ich sah ihn fragend an. Ich hatte seine alchemische Mixtur bereits in einer Tasche meines Umhangs verstaut. »Was ist das?«
    »Das ist nur eine Salbe, falls du dich verbrennen solltest«, erklärte er. »Aber wenn sie mit Pisse in Berührung kommt, verwandelt sie sich in eine Süßigkeit.« Sim verzog keine Miene. »Und zwar eine köstliche.«
    Ich nickte ganz ernst. »Sehr gut, danke.«
    Mola guckte verwirrt. Devi hingegen beachtete uns gar nicht mehr und schichtete stattdessen Holz ins Feuer.

    Eine Stunde später saßen Wilem und ich im GOLDENEN PONY und spielten Karten. Der Gastraum war gut gefüllt, und eine Harfenistin gab eine ganz passable Version von
Süßer Winterroggen
zum Besten. |368| Wohlhabende Gäste tranken etwas, spielten Karten und redeten darüber, worüber reiche Leute halt so reden. Wie man seinen Stallburschen mal ordentlich versohlt, nehme ich an. Oder wie man den Zimmermädchen am besten nachstellen kann.
    Das GOLDENE PONY war kein Lokal nach meinem Geschmack. Das Publikum war mir zu vornehm, die Getränke zu teuer, und die Musiker boten mehr was fürs Auge als fürs Ohr. Dennoch war ich seit fast zwei Spannen regelmäßig hierher gekommen und hatte so getan, als wollte ich mich der Oberschicht anbiedern. So konnte niemand behaupten, dass es sonderbar sei, dass ich mich ausgerechnet an diesem Abend dort aufhielt.
    Wilem trank einen Schluck und mischte wieder die Karten. Mein Glas stand schon eine ganze Weile halb geleert und bei Zimmertemperatur vor mir. Es war nur ein ganz einfaches, kleines Bier, doch angesichts der Getränkepreise hier im GOLDENEN PONY war ich damit schon buchstäblich pleite.
    Wil teilte neu aus. Ich nahm die Karten sehr vorsichtig auf die Hand, denn Simmons alchemische Mixtur machte meine Finger ein wenig klebrig. Wir hätten genauso gut auch mit Blankokarten spielen können: Ich nahm vollkommen willkürlich Karten auf, spielte sie ebenso willkürlich wieder aus und tat, als würde ich mich auf das Spiel konzentrieren, während ich in Wirklichkeit nur wartete und lauschte.
    Als ich ein leichtes Kribbeln im Augenwinkel spürte, hob ich schon die Hand, um mir das Auge zu reiben, konnte mich im letzten Moment aber gerade noch bremsen. Wilem sah mich besorgt an und schüttelte unauffällig den Kopf. Ich verharrte einen Moment lang wie versteinert und ließ die Hand dann langsam wieder sinken.
    Ich war so damit beschäftigt, den Anschein der Unbekümmertheit zu erwecken, dass ich, als dann der Schrei von draußen kam, tatsächlich zusammenzuckte. Er durchschnitt das gedämpfte Stimmengewirr im Raum, wie es nur eine Stimme in Panik

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