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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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Herzog vorgingen, fanden sie die Gebeine von zwanzigtausend Menschen. Große Gruben voller Knochen und Asche. Frauen und Kinder. Zwanzigtausend! Und das ist nur das, was sie gefunden haben«, flüsterte er voller Wut.
    Ich wartete, bis er sich ein bisschen beruhigt hatte, bevor ich ganz sachlich sagte: »Gibea hat dreiundzwanzig Bücher über die Maschinerie des menschlichen Körpers verfasst«, führte ich so freundlich aus, wie ich nur konnte. »Und als die Amyr gegen ihn vorgingen, brannte ein Teil seines Anwesens nieder, und vier dieser Bücher und alle seine Notizen gingen dabei verloren. Frag doch mal Meister Arwyl, was er dafür geben würde, wenn er diese Bücher wiederbekommen könnte.«
    Simmon schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, und etliche Studenten sahen zu uns herüber. »Verdammt noch mal!«, zischte er. »Ich bin dreißig Meilen von Gibea entfernt aufgewachsen! An wolkenlosen Tagen kann man von den Hügeln meines Vaters aus die Ruine sehen!«
    |434| Das brachte mich zum Verstummen. Wenn die Ländereien von Sims Familie dem so nahe lagen, waren seine Ahnen Gibea wahrscheinlich zu Lehnstreue verpflichtet gewesen. Das hieß, dass sie möglicherweise gezwungen waren, ihm bei der Beschaffung von Opfern für seine Experimente zu helfen. Gut möglich, dass sogar einige seiner Verwandten in diesen Knochen- und Aschegruben geendet waren.
    Ich wartete eine ganze Weile ab, ehe ich flüsterte: »Das wusste ich nicht.«
    Er hatte sich wieder etwas gefangen. »Wir sprechen auch nicht darüber«, sagte er in steifem Ton und strich sich das Haar aus den Augen.
    Wir beugten uns wieder über unsere Bücher, und erst eine Stunde später meldete sich Simmon wieder zu Wort. »Was hast du denn gefunden?«, fragte er allzu beiläufig, als wollte er sich seine Neugier nicht anmerken lassen.
    »Hier, auf dem Vorsatz«, flüsterte ich aufgeregt. Ich schlug den Einbanddeckel auf, und Sim verzog unwillkürlich das Gesicht, als ob das Buch nach Tod stinken würde.
    »… alles vollgespritzt«, hörte ich jemanden sagen, und zwei ältere Studenten betraten den Saal. An ihrer kostspieligen Kleidung sah ich, dass sie Adlige waren, und sie brüllten zwar nicht direkt herum, gaben sich aber auch keine Mühe, leise zu sprechen. »Anisat hat ihn die ganze Sauerei aufwischen lassen, bevor er sich selber waschen durfte. Der stinkt jetzt bestimmt eine ganze Spanne lang nach Urea.«
    »Und was gibt es da zu sehen?«, fragte Simmon und blickte auf das Vorsatzblatt hinab. »Da steht doch bloß sein Name und die Daten.«
    »Nicht in der Mitte. Oben, ganz am Rand.« Ich deutete auf die Schneckenverzierungen. »Da.«
    »Ich wette einen Deut, dass sich der kleine Mops vergiftet, noch bevor das Trimester um ist«, sagte der andere. »Waren wir früher eigentlich auch so dumm?«
    »Ich sehe immer noch nichts«, sagte Simmon leise und machte eine ratlose Geste. »Es ist ganz hübsch, wenn man so was mag, aber ich habe nie ein Faible für Buchmalerei gehabt.«
    |435| »Wir könnten auch ins ZWEIPENNY gehen.« Die Unterhaltung ging einige Tische entfernt weiter, und die Studenten rings umher blickten verärgert. »Die haben da ein Mädel, das Dudelsack spielt. Ich schwöre dir, so was hast du noch nicht gesehen. Und Linten hat gesagt, wenn man ihr ein bisschen Silber in die Hand drückt, dann …« Er verstummte vielsagend.
    »Ja, was dann?«, fragte ich und schaltete mich auf äußerst unhöfliche Weise in die Unterhaltung ein. Ich musste dazu gar nicht laut werden. Im Lesesaal reichte schon normale Gesprächslautstärke, um im ganzen Raum verstanden zu werden. »Das Letzte habe ich gerade leider nicht mitbekommen.«
    Die beiden guckten mich gekränkt an, erwiderten aber nichts.
    »Was machst du denn da?«, fuhr mich Sim flüsternd an.
    »Für Ruhe sorgen«, sagte ich.
    »Beachte die gar nicht«, sagte er. »Hier, ich sehe mir dein verdammtes Buch an. Zeig mir, was ich da sehen soll.«
    »Gibea hat in seinen Arbeitsjournalen alle Skizzen selbst angefertigt«, sagte ich. »Und da das hier ein Original ist, kann man davon ausgehen, dass auch diese Verzierungen von ihm stammen, nicht wahr?« Sim nickte und strich sich wieder das Haar aus den Augen. »Was siehst du da?« Ganz langsam fuhr ich mit dem Zeigefinger von einem Teil der Schneckenverzierung zu einem anderen. »Na?«
    Sim schüttelte den Kopf.
    Ich zeigte noch einmal genauer darauf. »Da«, sagte ich, »Und da, in der Ecke.«
    Er bekam große Augen. »Buchstaben!
I … v …
« Er hielt

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