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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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»Komm rein.«
    Ich war klatschnass, und die Kapuze klebte mir am Kopf. Devi schloss die Tür hinter mir ab und verriegelte sie. Ich sah mich um, und mir fiel mir auf, dass sie ein zweites Bücherregal aufgestellt hatte, das aber noch weitgehend leer war. Als ich mich bewegte, löste sich eine größere Menge Schneematsch von meinem Umhang und klatschte auf den Fußboden.
    Devi musterte mich lange mit kühlem Blick. Am anderen Ende des Raums, in der Nähe ihres Schreibtischs, brannte ein Kaminfeuer, |441| aber sie machte keine Anstalten, mich dorthin zu bitten. Also blieb ich stehen, wo ich war, tropfnass und zitternd.
    »Du machst nie irgendwas auf die leichte Tour, oder?«, fragte sie.
    »Es gibt eine leichte Tour?«, fragte ich zurück.
    Sie lachte nicht. »Wenn du glaubst, dass du hier nur so auftauchen musst – halb erfroren und wie ein geprügelter Hund –, damit ich meine Einstellung zu dir grundlegend revidiere, dann hast du dich …« Sie verstummte mitten im Satz und sah mich noch einmal nachdenklich an. »Nicht zu glauben«, sagte sie, und es klang erstaunt. »Es gefällt mir doch tatsächlich, dich so zu sehen. Es hebt meine Laune auf ein geradezu irritierendes Niveau.«
    »Das war nicht unbedingt meine Absicht«, erwiderte ich. »Aber sei’s drum. Würde es dir helfen, wenn ich mir eine richtig schlimme Erkältung holen würde?«
    Devi dachte darüber nach. »Möglicherweise«, sagte sie. »Zur Buße gehört ja immer auch ein gewisses Maß an Leiden.«
    Ich nickte. Ich musste gar nichts tun, um elend auszusehen. Mit klammen Fingern griff ich in meinen Geldbeutel und zog eine kleine Bronzemünze hervor, die ich Sim einige Abende zuvor beim Kartenspielen abgeknöpft hatte.
    Devi nahm sie. »Eine Bußmünze«, sagte sie unbeeindruckt. »Soll das jetzt eine symbolische Gabe sein?«
    Ich zuckte die Achseln, wodurch noch mehr Schneematsch zu Boden fiel. »Ja, schon«, sagte ich. »Ich habe überlegt, zu einem Geldwechsler zu gehen und meine gesamten Schulden bei dir in Bußmünzen abzuzahlen.«
    »Und was hat dich davon abgehalten?«, fragte sie.
    »Mir ist klar geworden, dass ich dir damit nur auf die Nerven gehen würde«, sagte ich. »Und ich hatte auch keine Lust, die Wechselgebühren zu zahlen.« Ich musste mich sehr zusammenreißen, nicht sehnsüchtig zu dem Kaminfeuer hinüberzublicken. »Ich habe lange darüber nachgedacht, auf welche Art und Weise ich mich am besten bei dir entschuldigen könnte.«
    »Und dann hast du beschlossen, das Beste wäre es, beim miesesten Wetter des Jahres zu Fuß hierher zu kommen?«
    »Ich habe beschlossen, dass es am besten wäre, wenn wir uns |442| aussprechen würden«, sagte ich. »Das mit dem Wetter war nur eine glückliche Fügung.«
    Devi blickte finster und wandte sich zum Kamin. »Na dann komm rein.« Sie ging zu einer Kommode neben dem Bett und zog ein dickes, blaues Baumwollgewand daraus hervor. Das gab sie mir und wies auf eine geschlossene Tür. »Geh, zieh dir die nassen Klamotten aus. Und schön auswringen im Waschbecken, sonst dauert es ewig, bis sie wieder trocknen.«
    Ich tat wie geheißen und hängte meine Sachen anschließend an Haken vor dem Kamin auf. Es war ein wunderbares Gefühl, so nah am Feuer zu stehen. Im Licht des Feuerscheins sah ich, dass die Nagelbetten meiner Finger tatsächlich bläulich angelaufen waren.
    So gern ich auch dort noch stehengeblieben wäre und mich weiter aufgewärmt hätte, setzte ich mich doch zu Devi an den Schreibtisch. Wie ich sah, war die Tischplatte abgeschliffen und neu lackiert worden, doch an der Stelle, an der sich der Taschenofen ins Holz gebrannt hatte, war immer noch ein schwarzer Ring zu sehen.
    Ich fühlte mich ziemlich verletzlich, wie ich dort nur in dem Gewand, das sie mir gegeben hatte, vor ihr saß, aber daran war nun nichts zu ändern. »Nach unserem letzten … Treffen«, sagte ich und zwang mich, nicht ständig auf den Brandring zu starren, »… hast du mir mitgeteilt, dass meine gesamte Darlehenssumme zum Ende des Trimesters fällig würde. Wärst du bereit, darüber noch mal mit dir reden zu lassen?«
    »Eher nicht«, erwiderte Devi kurz und knapp. »Aber ich kann dir versichern: Falls du nicht in der Lage sein solltest, deine Schulden in barer Münze zu begleichen, wäre ich weiterhin sehr am Erwerb gewisser Informationen interessiert.« Sie schenkte mir ein gieriges Lächeln.
    Ich nickte. Sie wollte also immer noch Zugang zur Bibliothek. »Ich hatte gehofft, du wärst bereit, dir das noch mal

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