Die Furcht des Weisen / Band 1
doch die Angelegenheit ist vertraulich …
Threpe überflog den Brief. »Das geht noch ein bisschen so weiter. Und dann schreibt er: ›Was die oben erwähnte Sache angeht, so bin ich ein wenig in Zeitnot. Falls es in Imre keinen passenden Kandidaten gibt, so schreibt es mir bitte möglichst bald. Und falls Ihr mir jemanden schickt, so haltet ihn bitte zur Eile an.‹« Threpe überflog den Brief weiter und bewegte dabei stumm die Lippen. »Das ist alles«, sagte er schließlich und steckte das Schreiben wieder ein. »Was hältst du davon?«
»Also, damit tust mir wirklich einen großen …«
»Ja, ja«, sagte er und winkte ungeduldig ab. »Und du fühlst dich geschmeichelt und so weiter. Überspringen wir das.« Er beugte sich mit ernster Miene zu mir. »Ist das was für dich? Ließe es sich mit deinem Studium vereinbaren«, sagte er und machte eine wegwerfende Geste in Richtung Universität, »dass du mal für ein, zwei Trimester von hier verschwindest?«
Ich räusperte mich. »Ich hatte sowieso überlegt, mal eine Zeit lang zu verreisen.«
Da grinste der Graf breit und klopfte auf die Armlehne seines Stuhls. »Gut!«, sagte er und lachte. »Und ich dachte schon, ich müsste dich aus deiner geliebten Universität heraushebeln wie eine Münze aus der Faust eines Toten! Das ist eine wunderbare Gelegenheit. So was kriegt man nur einmal im Leben.« Er blinzelte mir zu. »Und außerdem findet ein Junge wie du ja wohl kaum einen besseren Schirmherrn als einen Mann, der reicher ist als der König von Vint.«
|509| »Da ist was dran«, sagte ich. Und insgeheim dachte ich:
Wer könnte mir eine bessere Hilfe sein bei meiner Suche nach den Amyr
?
»Das ist
sehr viel
dran«, sagte Threpe und lachte. »Wann kannst du abreisen?«
Ich zuckte die Achseln. »Morgen?«
Er hob eine Augenbraue. »Du bist aber wirklich von der schnellen Truppe, was?«
»Er schreibt ja, er sei in Zeitnot, und da möchte ich mich lieber beeilen.«
»Wohl wahr.« Er zog eine silberne Taschenuhr hervor, sah hinein und klappte sie mit einem Seufzer wieder zu. »Dann werde ich heute Nacht einiges an Schlaf versäumen, weil ich ja noch ein Empfehlungsschreiben für dich aufsetzen muss.«
Ich sah zum Fenster. »Es ist doch noch nicht mal dunkel«, sagte ich. »Wie lange brauchst du denn für so was?«
»Also bitte«, erwiderte er gereizt. »Ich schreibe nun einmal sehr langsam, zumal, wenn ich einen Brief an eine so bedeutende Persönlichkeit wie den Maer verfasse. Und außerdem muss ich dich beschreiben, was allein schon keine leichte Aufgabe ist.«
»Dann helfe ich dir dabei«, sagte ich. »Ich lasse nicht zu, dass jemand meinetwegen zu wenig Schlaf bekommt.« Ich lächelte. »Und außerdem: Wenn es eines gibt, wovon ich wirklich was verstehe, dann sind es meine persönlichen Vorzüge.«
Am nächsten Tag verabschiedete ich mich in aller Eile von allen Leuten, die ich an der Universität kannte. Wilem und Simmon schüttelten mir innig die Hand, und Auri winkte mir fröhlich zu.
Kilvin ächzte nur, ohne von seiner Gravurarbeit aufzusehen, und trug mir auf, alles, was mir auf meiner Reise zum Thema ewige Lampe einfiel, schriftlich festzuhalten. Arwyl bedachte mich mit einem langen, durchdringenden Blick durch seine Brillengläser und sagte, dass bei meiner Rückkehr ein Platz an der Mediho auf mich warten würde.
Nach den Reaktionen der anderen Meister war es erfrischend, wie |510| Elxa Dal reagierte. Er lachte nur und gestand, ein wenig neidisch auf meine neu gewonnene Freiheit zu sein. Dann riet er mir noch, jede Gelegenheit zu einem Abenteuer beim Schopf zu packen. Wenn tausend Meilen Entfernung nicht reichten, meine Eskapaden geheim zu halten, was dann?
Elodin war nicht aufzutreiben, und ich schob ihm schließlich einen Brief unter seiner Bürotür hindurch. Da er diesen Raum jedoch kaum zu nutzen schien, konnten Monate ins Land gehen, bis er ihn fand.
Dann kaufte ich mir einen neuen Reisesack und ein paar Dinge, die ein Sympathiker immer bei sich haben sollte: Wachs, Schnur, Draht, Nadel und Faden. Meine wenigen Kleider waren schnell gepackt.
Doch dann dämmerte mir, dass ich nicht alles mitnehmen konnte, was ich besaß. Das war ein kleiner Schock, denn viele Jahre lang hatte ich stets meine gesamte Habe mit mir herumtragen können und dabei meist noch eine Hand frei gehabt.
Doch seit ich in die Dachkammer gezogen war, hatten sich bei mir alle möglichen Dinge und halb fertiggestellte Projekte angesammelt. Luxuriöserweise besaß
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