Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
Vom Netzwerk:
nichts.
    »Weiß du, wie man früher dazu sagte, wenn ein Student für ein Trimester die Universität verließ?«, fragte Elodin.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Man sagte: Er jagt dem Wind nach«, antwortete er und lachte.
    »Ja, diesen Ausdruck habe ich schon mal gehört.«
    »Und was schien er für dich zu bedeuten?«
    |513| Ich wählte meine Worte mit Bedacht. »Er hat einen leichtfertigen Beigeschmack. Als würde der jeweilige Student einfach nur sinnlos herumstreunen.«
    Elodin nickte. »Die meisten Studenten tun das ja auch aus nichtswürdigen Motiven oder um nichtswürdige Ziele zu verfolgen.« Er beugte sich ein wenig vor und sah nun senkrecht auf den Fluss hinab. »Aber das hat es nicht immer bedeutet.«
    »Nein?«
    »Nein«, sagte er und setzte sich wieder richtig hin. »Vor langer Zeit, als noch alle Studenten anstrebten, Namenskundler zu werden, lagen die Dinge anders.« Er leckte sich einen Finger und hielt ihn in die Luft. »Die meisten dieser angehenden Namenskundler ermunterte man, den Name des Windes zu finden. Und wenn sie diesen Namen einmal gefunden hatten, war ihr schlummernder Geist geweckt, und es fiel ihnen leichter, weitere Namen zu finden.
    Manche Studenten aber hatten schon Schwierigkeiten mit dem Namen des Windes. Dafür gab es hier zu wenige Abgründe, zu wenige Gefahren. Daher zogen sie hinaus in die Wildnis. Sie versuchten ihr Glück, erlebten Abenteuer, jagten Geheimnissen und Schätzen hinterher …« Er sah mich an. »Aber in Wirklichkeit suchten sie den Namen des Windes.«
    Unser Gespräch stockte, weil jemand über die Brücke ging. Es war ein dunkelhaariger Mann mit verhärmtem Gesicht. Er sah aus dem Augenwinkel zu uns herüber, ohne den Kopf in unsere Richtung zu wenden, und als er direkt hinter uns vorüberging, versuchte ich nicht daran zu denken, dass es für ihn ein Leichtes war, mich von der Brücke zu stoßen.
    Als er vorüber war, seufzte Elodin und fuhr fort: »Aber die Zeiten haben sich geändert. Heute gibt es sogar noch weniger Abgründe als damals. Und die Welt ist längst nicht mehr so wild. Es gibt weniger Magie und mehr Geheimnisse und nur noch eine Handvoll Menschen, die den Namen des Windes kennen.«
    »Ihr kennt ihn, nicht wahr?«, fragte ich.
    Elodin nickte. »Er ändert sich von Ort zu Ort, aber ich weiß, wie ich seine stets sich wandelnde Gestalt erlauschen kann.« Dann lachte er und klopfte mir auf die Schulter. »Geh jetzt. Jage dem Wind nach. |514| Und fürchte dich nicht vor gelegentlichen Gefahren.« Er lächelte. »Alles in Maßen.«
    Ich schwang meine Beine wieder über die dicke Brüstung und schulterte meinen Lautenkasten und Reisesack. Doch als ich nach Imre aufbrach, hielt Elodins Stimme mich noch einmal zurück. »Kvothe.«
    Ich wandte mich um und sah, dass er sich nach vorne beugte, über den Rand der Brücke hinaus. Er grinste wie ein Schuljunge. »Spuck in den Fluss. Das bringt Glück.«

    Devi öffnete mir die Tür und riss entsetzt die Augen auf. »Ach du liebe Güte!«, sagte sie und hielt sich mit dramatischer Geste ein Blatt Papier vor die Brust. Ich erkannte es als einen der Briefe, die ich ihr unter der Tür hindurchgeschoben hatte. »Mein heimlicher Verehrer!«
    »Ich wollte einfach nur meine Schulden abzahlen«, sagte ich. »Ich war schon viermal hier.«
    »Das Wandern tut dir gut«, sagte sie fröhlich und ohne einen Funken Mitleid und verriegelte die Tür hinter mir. Im Raum roch es nach …
    Ich schnupperte. »Was ist das?«
    Sie schaute schuldbewusst. »Sollte eigentlich Birnenduft werden.«
    Ich legte Lautenkasten und Reisesack ab und nahm vor ihrem Schreibtisch Platz. Trotz bester Vorsätze wurde mein Blick zu dem schwarzen Ring hingezogen.
    Devi warf mit einem Ruck ihr rotblondes Haar nach hinten und sah mir in die Augen. »Willst du eine Revanche?«, fragte sie, und um ihre Lippen spielte ein Lächeln. »Ich nehm’s immer noch mit dir auf, ob mit oder ohne Gram. Dich besiege ich selbst im Schlaf.«
    »Das hätte ich dann vielleicht doch gerne gesehen«, sagte ich. »Aber nein: Ich möchte lieber Geschäftliches mit dir besprechen.«
    »Gern«, sagte sie. »Willst du wirklich alles zurückzahlen? Hast du etwa endlich einen Schirmherrn gefunden?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Aber mir bietet sich gerade eine |515| einmalige Gelegenheit. Und dazu gehört auch die Chance, mir einen erstklassigen Schirmherrn zu angeln.« Pause. »In Vintas.«
    Sie hob eine Augenbraue. »Das ist weit weg«, sagte sie. »Da bin ich doch froh,

Weitere Kostenlose Bücher