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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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war. Damit bekleidete ich keinen offiziellen Rang und bekam nur eiserne Ringe zugeschickt. Und einer mit einem eisernen Ring vorgetragenen Bitte kann man sich schlecht verweigern, schließlich will man es sich nicht mit einem Ranghöheren verderben.
    Um so mehr überraschte mich, dass dieser ältere Herr gleich persönlich vor meiner Tür stand. Er war erkennbar ein Adliger, doch er kam unangemeldet und ungeladen.
    »Nenne mich Bredon«, sagte er und sah mich an. »Spielst du Tak?«
    Ich schüttelte verständnislos den Kopf.
    Er seufzte enttäuscht. »Schade, aber ich kann es dir beibringen.« Er hielt mir einen schwarzen Samtbeutel hin, den ich mit beiden Händen entgegennahm. Er fühlte sich an wie mit kleinen Kieseln gefüllt.
    Auf einen Wink Bredons traten hinter ihm zwei junge Männer vor und trugen ein kleines Tischchen herein. Ich machte ihnen Platz, und Bredon folgte den beiden ins Zimmer. »Stellt es dorthin«, befahl er und zeigte mit seinem Spazierstock zum Fenster. »Und stellt zwei Stühle dazu … nein, die mit den Sprossenlehnen.«
    In kürzester Zeit war alles zu seiner Zufriedenheit arrangiert. Die Diener entfernten sich, und Bredon wandte sich mit einem entschuldigenden Lächeln an mich. »Du verzeihst einem alten Mann hoffentlich sein überfallartiges Eindringen?«
    »Selbstverständlich«, antwortete ich großzügig. »Setzt Euch doch.« Ich wies auf das Tischchen am Fenster.
    |551| »Dich scheint nichts so leicht aus der Fassung zu bringen.« Er lachte leise und lehnte seinen Stock an den Fenstersims. Die Sonne fing sich auf dem Griff aus blankem Silber, der in Gestalt eines zähnefletschenden Wolfskopfes gearbeitet war.
    Bredon war wie gesagt schon älter, er hatte ein wahres Großvateralter erreicht. Seine Kleider waren ausnahmslos aschgrau und dunkelbraun, Haupthaar und Bart dagegen schlohweiß. Alle Haare waren auf die gleiche Länge geschnitten und fassten sein Gesicht ein wie ein Rahmen. Wie er da saß und mich mit lebhaften braunen Augen betrachtete, erinnerte er mich an eine Eule.
    Ich setzte mich ihm gegenüber und überlegte ein wenig gelangweilt, wie er es wohl anstellen würde, mir Informationen aus der Nase zu ziehen. Er hatte offensichtlich ein Spiel mitgebracht. Vielleicht wollte er mit mir um Auskünfte zu meiner Person spielen. Das wäre immerhin eine Abwechslung gewesen.
    Bredon lächelte mich an. Es war ein aufrichtiges Lächeln, das ich unwillkürlich erwiderte. »Du hast inzwischen bestimmt schon eine ansehnliche Sammlung von Ringen«, sagte er.
    Ich nickte.
    Er beugte sich neugierig vor. »Dürfte ich sie mir ansehen?«
    »Aber bitte.« Ich ging in das andere Zimmer, kehrte mit einer Hand voll Ringe zurück und breitete sie auf dem Tisch aus.
    Er betrachtete sie und nickte nachdenklich. »Unsere größten Klatschmäuler sind alle schon bei dir vorstellig geworden. Veston, Praevek und Temenlovy.« Sein Blick fiel auf einen weiteren Ring, und er zog die Augenbrauen hoch. »Praevek sogar zweimal. Aber keiner hat auch nur die kleinste Information aus dir herausbekommen. Nicht einmal eine vage Andeutung.«
    Bredon hob den Kopf. »Ich schließe daraus, dass du nichts von dir preisgeben willst und dir das hervorragend gelingt. Sei versichert, ich bin nicht gekommen, um ebenfalls in deinen Geheimnissen herumzustochern.«
    Ich glaubte ihm zwar nur halb, hörte es aber trotzdem gern. »Das erleichtert mich zugegebenermaßen.«
    »Nebenbei bemerkt legt man die Ringe üblicherweise im Wohnzimmer in der Nähe der Tür aus. Sie gelten als Statussymbol.«
    |552| Das hatte ich nicht gewusst, wollte es aber nicht zugeben. Wenn ich die Sitten und Gebräuche des Hofs von Severen nicht kannte, würde er daraus schließen, dass ich entweder Ausländer war oder aber kein Mitglied des Adels. »Mit einer Hand voll Eisen kann man sich schwerlich schmücken«, sagte ich deshalb ein wenig herablassend. Graf Threpe hatte mir vor meiner Abreise aus Imre erklärt, was es mit den Ringen auf sich hatte. Doch er stammte selber nicht aus Vintas und kannte offenbar nicht alle Feinheiten.
    »Du hast nicht unrecht«, gab Bredon lächelnd zu, »aber auch nicht ganz recht. Goldene Ringe zeigen an, dass die, die unter dir stehen, sich bei dir einschmeicheln wollen, und silberne Ringe, dass du mit denen, die dir ebenbürtig sind, auf gutem Fuß stehst.« Er legte meine Ringe in einer Reihe nebeneinander auf den Tisch. »Eiserne Ringe dagegen zeigen an, dass die, die über dir stehen, auf dich aufmerksam geworden

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