Die Furcht des Weisen / Band 1
Zug, mit dem ich mich aus einer Klemme befreie.«
Ich lachte und begann die Steine erneut zu sortieren. »Noch eine Partie?«
Bredon seufzte. »Leider habe ich eine unaufschiebbare Verabredung. Ich bin nicht in Eile, aber für eine weitere Partie reicht die Zeit nicht, jedenfalls nicht für eine ganze.«
Er sammelte die Steine wieder in den Beutel ein und sah mich dabei nachdenklich mit seinen braunen Augen an. »Ich will dich nicht mit der Frage kränken, ob du unsere Bräuche und Sitten kennst«, sagte er. »Doch würde ich dir gern einige Ratschläge geben, die dir womöglich nützen könnten.« Er lächelte. »Höre mir am besten einfach zu. Wenn du natürlich alles schon weißt, brauchst du das nicht.«
»Nein«, sagte ich mit unbewegtem Gesicht.
Bredon zog die Schublade des Tischchens auf und holte die Ringe heraus, die wir vor dem Spiel dort verstaut hatten, um die Tischplatte |555| frei zu haben. »Wie man die Ringe präsentiert, sagt bereits sehr viel. Wenn sie alle durcheinander in einer Schale liegen, signalisiert das mangelndes Interesse an den gesellschaftlichen Belangen des Hofes.«
Er legte die Ringe so hin, dass die darauf eingravierten Namen zu mir zeigten. »Sie zu ordnen zeigt dagegen, dass man stolz auf seine Bekanntschaften ist.« Er hob den Kopf und lächelte. »Ein Besucher wird gewöhnlich unter einem Vorwand eine Weile im Wohnzimmer allein gelassen. Er hat dann Gelegenheit, deine Sammlung zu begutachten und dadurch seine Neugier zu befriedigen.«
Bredon schob mir die Ringe mit einem Achselzucken hin. »Du hast natürlich immer angeboten, sie ihren Besitzern zurückzugeben.« Es sollte wie eine Feststellung klingen, nicht wie eine Frage.
»Natürlich«, sagte ich ehrlich. Darauf hatte Threpe mich hingewiesen.
»Es ist ein Gebot der Höflichkeit.« Bredon musterte mich mit seinen von dem weißen Haarkranz umrahmten Eulenaugen. »Hast du sie in der Öffentlichkeit getragen?«
Ich hielt meine bloßen Hände hoch.
»Einen Ring zu tragen kann bedeuten, dass man in jemandes Schuld steht oder sich bei ihm einschmeicheln will.« Bredon sah mich an. »Wenn der Maer seinen Ring einmal nicht zurückhaben will, würde das bedeuten, dass er eine offiziellere Verbindung wünscht.«
»Und den Ring dann nicht zu tragen wäre eine Kränkung«, sagte ich.
Bredon lächelte. »Vielleicht. Einen Ring am Finger zu tragen ist jedenfalls etwas ganz anderes, als ihn im Wohnzimmer zu präsentieren. Den Ring eines Höhergestellten zu tragen kann als anmaßend empfunden werden. Der Maer könnte auch Anstoß daran nehmen, wenn du in seiner Gegenwart den Ring eines anderen trägst. Das wäre dann, als hätte jemand in seinem Revier gewildert.«
Bredon lehnte sich zurück. »Ich erwähne das alles nur beiläufig, in der Annahme, dass du es schon längst weißt und mir nur aus Höflichkeit zuhörst.«
»Vielleicht bin ich auch von meinen haushohen Niederlagen beim Tak noch ganz durcheinander«, erwiderte ich.
|556| Bredon machte eine abwehrende Handbewegung, und ich stellte fest, dass er keine Ringe an den Fingern trug. »Du bist so schnell warm geworden wie der Baron im Bordell, wie man so schön sagt. Wahrscheinlich bist du in einem Monat eine richtige Herausforderung für mich.«
»Ihr werdet sehen, ich schlage Euch schon, wenn wir das nächste Mal spielen.«
Bredon lachte leise. »Das höre ich gern.« Er griff in die Tasche und zog einen kleineren Samtbeutel heraus. »Ich habe dir ein Geschenk mitgebracht.«
»Das kann ich nicht annehmen«, protestierte ich sofort. »Ihr habt mich bereits den ganzen Nachmittag unterhalten.«
»Bitte«, beharrte er und schob den Beutel über den Tisch. »Ich muss darauf bestehen. Der Beutel gehört dir, ohne dass du damit irgendeine Verpflichtung eingehst. Er ist ein aus freien Stücken gegebenes Geschenk.«
Ich schüttete den Beutel aus. Drei Ringe fielen klirrend in meine Hand, einer aus Gold, einer aus Silber und einer aus Eisen. In jeden war mein Name eingraviert:
Kvothe.
»Ich hörte gerüchteweise, dein Gepäck sei verloren gegangen«, sagte Bredon. »Vielleicht helfen dir diese Ringe.« Er lächelte. »Wenn du zum Beispiel wieder eine Partie Tak spielen willst.«
Ich ließ die Ringe in meiner Hand hin und her rollen und fragte mich unwillkürlich, ob der goldene aus Massivgold bestand oder nur mit Gold überzogen war. »Welchen Ring würde ich meinem neuen Bekannten in diesem Fall schicken?«
»Nun«, antwortete Bredon, »das ist eine schwierige Frage. Als
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