Die Furcht des Weisen / Band 1
Schulter rutschte und mein Abzeichen darunter zum Vorschein kam.
Er war schon dabei, den Blick mit geübtem Desinteresse abzuwenden, als er das kleine Silberding bemerkte. Als Schmuckstück war es nichts Besonderes, doch an diesem Ort hatte es eine einzigartige Bedeutung. Wilem hatte recht: Im EOLIAN gehörte ich zum Hofstaat.
Und Kellin war das augenblicklich klar. Er stutzte und erwiderte meine Verneigung. Es war kaum mehr als ein Nicken, gerade tief genug, um noch höflich zu sein. »Euch und den Euren«, sagte er in perfektem Aturisch. Seine Stimme war tiefer als meine, ein warmer Bass, dem sein leicht modeganischer Akzent etwas Melodisches verlieh.
Denna neigte den Kopf in seine Richtung. »Kellin hat mir das Harfenspiel nähergebracht.«
»Ich bin hier, um mein Abzeichen zu erringen«, sagte er voller Bestimmtheit.
Und sobald er den Mund aufgetan hatte, fassten ihn die Frauen an den Tischen ringsumher mit Schlafzimmerblicken ins Auge. Auf mich hatte seine Stimme eine gegensätzliche Wirkung. Sowohl reich als auch gut aussehend zu sein, war schon schlimm genug. Dass er darüber hinaus auch noch eine Stimme wie Honig auf ofenwarmem Brot besaß, war schlicht und einfach unverzeihlich. Bei ihrem Klang fühlte ich mich wie eine Katze, die am Schwanz gepackt und mit nasser Hand gegen den Strich gerieben wurde.
Ich sah mir seine Hände an. »Dann seid Ihr also Harfenspieler?«
»Harfenist«, korrigierte er steiflippig. »Ich spiele die Pendenhale. Die Königin der Instrumente.«
Ich wollte schon etwas sagen, hielt dann aber doch lieber die Klappe. Die große modeganische Harfe war fünfhundert Jahre zuvor die Königin der Instrumente gewesen. Heutzutage war sie weiter nichts als eine antike Kuriosität. Um Dennas willen sagte ich nichts |74| dazu. »Werdet Ihr denn heute Abend Euer Glück versuchen?«, fragte ich.
Kellin kniff ein wenig die Augen zusammen. »Mit Glück wird es nichts zu tun haben, wenn ich hier auftrete. Aber nein. Heute Abend genieße ich die Gesellschaft meiner lieben Dinael.« Er hob Dennas Hand an seinen Mund und küsste sie ganz beiläufig. Dann sah er sich auf besitzergreifende Weise im Publikum um, als wären alle diese Leute seine Leibeigenen.
Ich sah kurz zu Denna hinüber, aber sie wich meinem Blick aus. Sie neigte den Kopf zur Seite und nestelte an einem Ohrring, der bis dahin unter ihrem Haar verborgen gewesen war, einem kleinen, tränenförmigen Smaragd, passend zu dem an ihrem Hals.
Kellin musterte mich erneut. Meine schlecht sitzenden Kleider. Mein Haar – zu kurz geschnitten, um der Mode zu entsprechen, und zu lang, um irgendetwas anderes als eine wilde Mähne zu sein. »Und du bist … ein Flötenspieler?«
Das kostengünstigste Instrument. »Flötist«, berichtigte ich ihn leichthin. »Aber nein. Mir ist die Laute lieber.«
Seine Augenbrauen hoben sich. »Du spielst Hoflaute?«
Mein Lächeln erstarrte ein wenig, obwohl ich mir alle Mühe gab. »Nein, die normale, siebensaitige.«
»Ah!«, sagte er und lachte, als wäre ihm mit einem Mal alles klar. »Volksmusik!«
Ich ging auch darauf nicht ein, obwohl es mir noch schwerer fiel als zuvor. »Habt Ihr schon Sitzplätze?«, fragte ich frohgemut. »Ein paar Freunde und ich haben unten einen Tisch mit gutem Blick auf die Bühne. Ihr seid herzlich eingeladen, dort Platz zu nehmen.«
»Die Dame und ich haben einen Tisch auf dem zweiten Rang.« Kellin wies mit einer Kopfbewegung auf Denna. »Und ich ziehe die Gesellschaft dort oben entschieden vor.«
Denna verdrehte die Augen, ohne dass er es sehen konnte.
Ich ließ mir nichts anmerken und verneigte mich noch einmal höflich vor ihm. »Dann werde ich Euch nicht weiter aufhalten.«
Ich wandte mich an Denna. »Mylady, dürfte ich Euch gelegentlich einmal besuchen kommen?«
|75| Sie seufzte und sah dabei durch und durch wie eine Dame der feinen Gesellschaft aus, die gerade genötigt wurde, sich unter ihr Niveau zu begeben – bis auf ihre Augen, die immer noch über die lächerliche Förmlichkeit dieses Wortwechsels lachten. »Du verstehst sicherlich, Kvothe, dass mein Zeitplan in den nächsten Tagen vollkommen ausgefüllt ist. Gegen Ende der Spanne könntest du mich besuchen kommen, wenn du magst. Ich bin im GRAUEN MANN abgestiegen.«
»Zu liebenswürdig!«, sagte ich und verneigte mich viel tiefer vor ihr als vor Kellin. Nun verdrehte sie meinetwegen die Augen.
Kellin bot ihr seinen Arm an und wandte mir mit der gleichen Bewegung die Schulter zu, und dann gingen die
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