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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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|71| sah einem yllischen Flötisten zu, der eine traurige Weise zum Besten gab.
    Als die Lichter wieder angingen, suchte ich das erste Obergeschoss des EOLIAN ab: ein breiter, halbmondförmiger Rang. Meine Suche hatte etwas von einem sinnlosen Ritual, denn nach Denna zu suchen war per se ein ebenso aussichtsloses Unterfangen, als würde man um gutes Wetter beten.
    Doch dieser Abend erwies sich als Ausnahme von der Regel. Während ich über den ersten Rang schlenderte, entdeckte ich sie, wie sie neben einem großen, dunkelhaarigen Mann einherging. Ich änderte meinen Kurs zwischen den Tischen hindurch so, dass ich den beiden wie zufällig begegnen würde.
    Denna entdeckte mich eine halbe Minute, nachdem ich sie entdeckt hatte. Sie lächelte, nahm die Hand vom Arm des Mannes und winkte mich herbei.
    Der Mann an ihrer Seite wirkte stolz wie ein Falke, sah blendend aus und hatte einen ausgesprochen kantigen Kiefer. Er trug ein Hemd aus blendend weißer Seide und eine blutrot gefärbte Wildlederjacke. Silberstickereien. Silberne Gürtelschnalle und Manschettenknöpfe. Er sah von Kopf bis Fuß aus wie ein modeganischer Adliger. Von dem, was seine Kleidung gekostet hatte, von seinen Ringen ganz zu schweigen, hätte ich ein ganzes Jahr lang meine Studiengebühren bestreiten können.
    Denna spielte die Rolle seiner reizenden, attraktiven Begleiterin. Wenn ich sie zuvor gesehen hatte, war sie meist so ähnlich gekleidet gewesen wie ich selbst: Schlichte Sachen, die etwas aushalten konnten und sich als Reisekleidung eigneten. An diesem Abend jedoch trug sie ein langes Kleid aus grüner Seide. Das dunkle Haar war ihr in kunstvollen Locken ums Gesicht frisiert und fiel sanft über ihre Schultern. An einer Halskette trug sie einen tränenförmigen Smaragd-Anhänger, dessen Farbe so vollkommen der ihres Kleides entsprach, dass es kein Zufall sein konnte.
    Ich kam mir dagegen ein bisschen schäbig vor. Mehr als nur ein bisschen. Meine gesamte Garderobe bestand aus vier Hemden, zwei Hosen und diversem Kleinkram. Alles war aus zweiter Hand und mindestens halbwegs abgetragen. Ich hatte an diesem Abend meine |72| besten Sachen an, aber selbst die waren, wie gesagt, nicht sonderlich vorzeigbar.
    Die einzige Ausnahme war der Umhang, den Fela mir geschenkt hatte. Er war warm und wunderbar, eigens für mich aus grünem und schwarzem Stoff geschneidert und mit vielen kleinen Innentaschen versehen. Er war zwar keineswegs elegant, aber das Beste, was ich besaß.
    Als ich näher kam, trat Denna einen Schritt vor und hielt mir in einer selbstsicheren, fast schon arroganten Geste eine Hand zum Kuss entgegen. Ihr Gesichtsausdruck war gefasst, ihr Lächeln höflich. Einem flüchtigen Betrachter wäre sie wie eine vornehme Dame erschienen, die einem armen, jungen Musiker huldvoll gegenübertritt.
    Wären da nicht ihre Augen gewesen. Sie waren dunkel und tief, kaffee- oder schokoladenfarben. Ihre Augen irrlichterten vor Belustigung, vor Gelächter. Ihr Begleiter, der nun hinter ihr stand, runzelte kaum merklich die Stirn, als sie mir ihre Hand darbot. Ich wusste nicht, was für ein Spiel Denna hier spielte, ahnte aber, worin meine Rolle darin bestehen sollte.
    Und so beugte ich mich über ihre Hand und küsste sie, derweil ich mich tief verneigte. Ich war schon in jungen Jahren in höfischen Umgangsformen unterwiesen worden und wusste also, was ich tat. Sich von der Hüfte ab verbeugen, das kann jeder, eine schöne Verneigung aber erfordert Können.
    Und so verneigte ich mich elegant, und als meine Lippen ihren Handrücken berührten, raffte ich mit einer Bewegung quasi aus dem Handgelenk meinen Umhang auf einer Seite. Das war das Schwierigste dabei, und ich hatte stundenlang vor einem Badehausspiegel üben müssen, bis ich diese Bewegung mit der nötigen Beiläufigkeit hinbekam.
    Denna machte einen Knicks, so anmutig wie ein fallendes Blatt, und trat dann wieder einen Schritt zurück, neben den Adligen. »Kvothe, darf ich vorstellen? Lord Kellin Vantenier. Kellin – Kvothe.«
    Kellin musterte mich von Kopf bis Fuß und hatte sich schneller eine abschließende Meinung über mich gebildet, als man hätte scharf einatmen können. Er setzte eine abweisende Miene auf und nickte |73| mir zu. Geringschätzig behandelt zu werden, war für mich nichts Neues, aber ich war erstaunt, wie sehr es mir in diesem Fall gegen den Strich ging.
    »Zu Diensten, Mylord.« Ich verneigte mich höflich und verlagerte dabei mein Gewicht so, dass mir der Umhang von der

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