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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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noch verlegen, was man als Mann einnehmen könne, wenn man … nun, im Schlafzimmer gewisse Probleme habe.
    Der Apotheker nickte ernst und empfahl mir ohne eine Miene zu verziehen verschiedene Mittelchen. Ich kaufte von jedem eine kleine Menge und machte einen ungeschickten Versuch, ihn durch Drohung und Bestechung zum Stillschweigen zu verpflichten. Als ich schließlich ging, war er gekränkt und wütend. Auf entsprechende Fragen würde er gewiss von dem rüpelhaften Herrn erzählen, der sich für Mittel gegen Impotenz interessiert hatte. Ich war zwar nicht sonderlich scharf auf diesen zweifelhaften Ruhm, aber wenigstens verhinderte ich dadurch, dass über meine anderen Einkäufe geredet wurde und Caudicus davon erfuhr. Ich hatte Laudanum, Taubnessel, Bissklein und andere gleichermaßen verdächtige Drogen erworben.
    Zuletzt löste ich noch meine Laute beim Pfandleider aus – einen Tag vor Ablauf der Frist. Die Börse des Maer war danach fast leer, aber es war auch meine letzte Besorgung. Bei meiner Rückkehr an den Fuß der Bastion ging die Sonne unter.
    Zwischen der Ober- und der Unterstadt von Severen gab es nur ein paar wenige Verbindungswege. Die gebräuchlichsten waren zwei Treppen, die sich im Zickzack die Felswand hinaufwanden. Sie waren alt, ausgetreten und zum Teil sehr schmal, dafür aber gratis und deshalb bei dem in der Unterstadt wohnenden gemeinen Volk sehr beliebt.
    Wer nicht eine enge Treppe sechzig Meter hinaufsteigen wollte, hatte andere Möglichkeiten. Zwei ehemalige Studenten der Universität betrieben einen Lastenaufzug. Sie waren zwar keine fertig ausgebildeten Arkanisten, verstanden aber genug von Sympathie und Technik, um die sehr profane Aufgabe zu bewältigen, mittels einer großen hölzernen Plattform Fuhrwerke und Pferde die Bastion hinauf und hinunter zu befördern.
    Für Passagiere kostete die Fahrt nach oben einen Penny, die nach unten einen halben. Allerdings musste man gelegentlich warten, bis ein Kaufmann seine Waren ein- oder ausgeladen hatte.
    Die Adligen fuhren nicht mit dem Lastenaufzug. Misstrauisch gegen alles entfernt Arkanische wie alle Vintaner, nahmen sie den |581| Pferdelift. Er wurde von zwanzig Pferden gezogen, die man an eine komplizierte Konstruktion aus Flaschenzügen geschirrt hatte. Der Pferdelift war ein wenig schneller als der Lastenaufzug, kostete dafür aber auch einen vollen Silber-Bit. Etwa einmal im Monat stürzte ein betrunkener Junker aus dem Lift in den Tod, was allerdings seiner Beliebtheit keinen Abbruch tat, weil es zeigte, wie vornehm seine Kundschaft war.
    Da das Geld in meiner Börse nicht meines war, entschied ich mich für den Pferdelift.
    Ich gesellte mich zu vier Herren und einer Dame, die bereits an der Station anstanden, wartete mit ihnen darauf, dass der Lift sich herabsenkte, zahlte mit einer dünnen silbernen Münze und stieg ein.
    Bei dem Lift handelte es sich im Grunde nur um einen offenen Kasten mit umlaufendem Messinggeländer. Dicke, mit den Ecken verbundene Handseile stabilisierten ihn ein wenig, trotzdem brachte jede ruckartige Bewegung ihn auf höchst beunruhigende Weise zum Schwanken. Ein adrett gekleideter Liftjunge fuhr mit den Passagieren mit, öffnete das Gatter und signalisierte den Pferdeführern droben, wann sie mit Ziehen anfangen sollten.
    Es ist unter Adligen Brauch, der Stadt bei solchen Fahrten den Rücken zuzukehren. Gaffen war eine Sache des gemeinen Volkes. Da mir herzlich egal war, was die Adligen von mir dachten, stellte ich mich an das vordere Geländer. Wir hoben vom Boden ab, und mein Magen machte einen Satz.
    Ich betrachtete Severen, das unter mir ausgebreitet lag. Eine alte, stolze Stadt. Die hohe Mauer, die sie einfasste, erinnerte an längst vergangene kriegerische Zeiten. Wie der Maer es wünschte, wurde sie selbst in diesen friedlichen Zeiten hervorragend in Schuss gehalten. Alle drei Stadttore waren mit Wachen besetzt und wurden allabendlich bei Sonnenuntergang geschlossen.
    Wir stiegen weiter auf, und ich sah die verschiedenen Stadtteile von Severen so deutlich wie auf einer Landkarte. Ein wohlhabendes Viertel mit weitläufigen Gärten und Parks und aus Ziegeln und Steinen erbauten altehrwürdigen Häusern und das Armenviertel mit engen, gewundenen Gassen und Dächern, die mit Teer und Holzschindeln |582| gedeckt waren. Eine schwarze Schneise am Fuß der Bastion zeigte, wo unlängst ein Feuer gewütet und nur verkohlte Häusergerippe hinterlassen hatte.
    Die Fahrt endete viel zu schnell. Ich ließ die

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