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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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und einige Dinge, die ich am Tag zuvor vergessen hatte.
    Dann ging ich die Spenglerstraße in ihrer ganzen Länge ab. Obwohl es eigentlich noch viel zu früh am Morgen war, hoffte ich, Denna zu begegnen. Auf den gepflasterten Straßen drängten sich Fuhrwerke und die Karren der Bauern. Die ersten Bettler bezogen an belebten Straßenecken ihre Plätze, und Ladeninhaber schlossen ihre Geschäfte auf und hängten ihre Schilder nach draußen.
    Dreiundzwanzig Schenken und Herbergen zählte ich in der Spenglerstraße. Ich merkte mir die, in denen Denna am ehesten absteigen würde, und kehrte schweren Herzens in die Burg des Maer zurück. Diesmal nahm ich den Lastenaufzug, zum einen, um mögliche Verfolger zu verwirren, aber auch, weil die Börse des Maer fast leer war.
    Damit alles so normal wie möglich wirkte, blieb ich in meiner Unterkunft und wartete darauf, dass der Maer mich holen ließ. Ich schickte Bredon meine Karte und einen Ring. Kurz darauf saß er mir gegenüber, schlug mich vernichtend im Tak und erzählte in einem fort Geschichten.
    »… deshalb ließ der Maer ihn unmittelbar vor dem östlichen Stadttor in einem Käfig aufhängen. Er heulte und fluchte tagelang und behauptete, unschuldig zu sein. Es sei nicht recht, ihn zu hängen, und er wolle einen Prozess.«
    |591| Ich sah Bredon ungläubig an. »In einem Käfig?«
    Bredon nickte ernst. »Aus Eisen, ja. Keine Ahnung, wo man so etwas heutzutage herbekommt. Sah aus wie eine Requisite aus einem Theaterstück.«
    Ich suchte nach einer unverfänglichen Bemerkung, denn ich wollte den Maer nicht offen kritisieren. »Nun«, sagte ich, »die Banditen treiben aber auch überall ihr Unwesen.«
    Bredon, der gerade einen Stein auf das Brett hatte legen wollen, zögerte. »Nicht wenige hielten die ganze Veranstaltung für …« Er räusperte sich. »In höchstem Maße geschmacklos. Doch niemand spricht es laut aus, wenn du verstehst, was ich meine. Es war grausig, erfüllte aber seinen Zweck.«
    Er legte den Stein, und wir spielten eine Weile stumm weiter.
    »Es ist seltsam«, sagte ich schließlich. »Ich habe gestern mit jemandem gesprochen, der nicht wusste, welchen Rang Caudicus genau bei Hof bekleidet.«
    »Das überrascht mich nicht«, antwortete Bredon und zeigte auf das Spiel. »Das Schicken und Empfangen von Ringen hat viel mit diesem Spiel gemeinsam. Oberflächlich betrachtet sind die Regeln einfach, ihre Anwendung ist dagegen sehr kompliziert.« Er setzte klackend einen Stein und in seinen Augenwinkeln erschienen belustigte Fältchen. »Ich habe übrigens erst gestern einen Fremden mit den Feinheiten dieses Brauchs vertraut gemacht.«
    »Das war sehr freundlich von Euch.«
    Bredon nickte lächelnd. »Auf den ersten Blick erscheint alles ganz einfach. Ein Baron rangiert über einem Baronet. Aber manchmal wiegt junges Geld schwerer als altes Blut. Manchmal ist die Herrschaft über einen Fluss wichtiger als die Zahl der Soldaten, die man aufbieten kann. Manchmal zählt eine Person auch genauso viel wie mehrere. Der Graf von Svanis etwa hat durch eine seltsame Fügung zugleich den Titel eines Viscount von Tevn geerbt. Derselbe Mann bekleidet zwei ganz verschiedene Ränge.«
    Ich lächelte. »Meine Mutter kannte einmal einen, der sein eigener Lehnsmann war. Er war sich jährlich selbst einen Teil der Steuern schuldig, und im Fall einer Bedrohung musste er sich selbst mit Soldaten zu Hilfe kommen.«
    |592| Bredon nickte. »So etwas passiert öfter, als man gemeinhin denkt, vor allem in alten Familien. Auch Stapes vereint ganz verschiedene Personen in sich.«
    »Stapes?«, fragte ich. »Aber er ist doch nur ein Diener.«
    »Nun«, meinte Bredon langsam, »das ist er zweifellos, aber eben nicht nur. Er stammt aus einer alten Familie, führt aber keinen Titel. Streng genommen bekleidet er nur den Rang eines Kochs. Doch besitzt er große Ländereien und hat Geld. Und er ist der Diener des
Maer
. Die beiden kennen sich seit ihrer Kindheit. Jedermann weiß, dass Alveron auf ihn hört.«
    Bredon musterte mich mit einem unergründlichen Blick. »Niemand würde es wagen, ihn mit einem eisernen Ring zu beleidigen. Besuche ihn in seinem Zimmer, und du wirst feststellen, dass in seiner Schale nur goldene Ringe liegen.«

    Kurz nach unserer Partie verabschiedete sich Bredon. Als Grund nannte er eine andere Verpflichtung. Zum Glück hatte ich meine Laute wieder, um mir die Zeit zu vertreiben. Ich stimmte sie, überprüfte die Bünde und drehte eine Weile an dem Wirbel herum,

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