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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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kommt und geht.« Der Maer stellte die Tasse ab. Sie war noch zu drei Vierteln voll. »Manchmal vergeht sie auch ganz, und dann kann Caudicus einige Monate durch die Gegend ziehen und Zutaten für seine Zaubertränke und Arzneien sammeln. Da fällt mir etwas ein.« Er faltete die Hände im Schoß. »Holst du mir bitte meine Arznei von Caudicus?«
    |595| »Gewiss, Euer Gnaden.« Ich überspielte meine Beklommenheit mit einem Lächeln, räumte die Sachen auf, die ich für die Zubereitung des Tees gebraucht hatte, und verstaute Kräuterbünde und -päckchen in den Taschen meines roten Mantels.
    Der Maer bedankte sich mit einem Nicken, schloss die Augen und sank in einen ruhigen, von der Sonne beschienenen Schlummer.

    »Unser Junghistoriker!«, rief Caudicus. Er winkte mich herein und bot mir einen Stuhl an. »Wenn Ihr mich einen Augenblick entschuldigt, ich komme gleich wieder.«
    Ich sank auf das Polster und bemerkte erst jetzt die auf einem nahen Tisch ausgestellten Ringe. Caudicus hatte sogar eigens ein Gestell für sie anfertigen lassen. Die darauf eingravierten Namen zeigten jeweils nach vorn. Er besaß viele Ringe in Silber, Eisen und Gold.
    Mein goldener Ring und der eiserne von Alveron lagen auf einem kleinen Tablett daneben. Ich nahm beide an mich. Eine sehr taktvolle Art, die Rückgabe eines Rings ohne Worte anzubieten, fand ich.
    Interessiert sah ich mich in dem Turmzimmer um. Warum sollte der Arzt den Maer vergiften wollen? Vom fehlenden Zugang zur Universität abgesehen war das Zimmer der Traum eines jeden Arkanisten.
    Neugierig stand ich auf und trat an das Bücherregal. Dort war auf engstem Raum eine ansehnliche Bibliothek von fast hundert Büchern versammelt. Viele Titel kannte ich. Einige beschäftigten sich mit Chemie, andere mit Alchemie, wieder andere mit Naturwissenschaften wie der Kräuterkunde, der Physiologie und der Tierkunde. Die überwiegende Mehrheit der Bücher galt jedoch historischen Themen.
    Mir kam eine Idee. Vielleicht konnte ich den Aberglauben der Vintaner zu meinem Vorteil ausnützen. Wenn Caudicus ein ernsthafter Gelehrter war und auch nur halb so abergläubisch wie ein gebürtiger Vintaner, hatte er sich womöglich auch mit den Chandrian beschäftigt. Da ich sowieso den einfältigen Junker spielte, brauchte ich mich um meinen Ruf nicht zu sorgen.
    |596| Caudicus kehrte zurück und schien etwas erstaunt, mich am Bücherregal stehen zu sehen. Er fasste sich allerdings schnell und lächelte höflich. »Etwas gefunden, das Euch interessiert?«
    Ich drehte mich um und schüttelte den Kopf. »Nein. Wisst Ihr eigentlich etwas über die Chandrian?«
    Caudicus starrte mich einen Moment verständnislos an und begann dann zu lachen. »Nur so viel, dass sie nicht nachts kommen und einen aus dem Bett entführen«, sagte er. Er drohte mir neckisch mit dem Zeigefinger, wie man es bei einem kleinen Kind tut.
    Ich unterdrückte meine Enttäuschung. »Dann befasst Ihr Euch nicht mit den alten Sagen?« Ich tröstete mich damit, dass ich durch meine Frage wenigstens seinen Eindruck von mir als Einfaltspinsel bestätigt hatte.
    Caudicus schnaubte. »Die Chandrian verdienen es noch nicht einmal, Sage genannt zu werden«, sagte er verächtlich. »Höchstens ein Märchen. Abergläubischer Unsinn, mit dem ich meine Zeit nicht verschwende. Kein ernsthafter Gelehrter beschäftigt sich damit.«
    Er machte sich im Zimmer zu schaffen, stöpselte Flaschen zu und verstaute sie in Schränken, begradigte Papierstapel und stellte Bücher an ihren Platz im Regal zurück. »Da wir schon von ernsthaftem Studium sprechen: Ihr hattet nach der Familie Lackless gefragt, wenn ich mich recht erinnere.«
    Ich sah ihn einen Augenblick begriffsstutzig an. Angesichts der dramatischen Ereignisse der vergangenen Stunden hatte ich meinen Vorwand der Geschichtsschreibung in Form von Anekdoten vom Vortag ganz vergessen.
    »Wenn es Euch keine Mühe macht«, sagte ich rasch. »Ich weiß wie gesagt so gut wie nichts über sie.«
    Caudicus nickte ernst. »In diesem Fall wärt Ihr gut beraten, Euch zunächst mit ihrem Namen zu beschäftigen.« Er schob eine Alkohollampe unter einen sprudelnden gläsernen Destillierkolben, der von einer eindrucksvollen Anordnung kupferner Röhren umgeben war. Was immer er da destillierte, Pfirsichschnaps schien es jedenfalls nicht zu sein. »Namen verraten bereits eine Menge über ihren Gegenstand.«
    |597| Ich musste grinsen und unterdrückte das Grinsen sofort wieder. »Ist das wirklich so?«
    Er drehte

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