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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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und hatte sich dabei das Bein gebrochen. Lady Hesuas neuester Liebhaber war ein Yller und sprach kein Wort Aturisch. Die nach Norden führende Straße des Königs wurde angeblich durch Wegelagerer unsicher gemacht, aber das war nichts Neues, solche Gerüchte gibt es immer.
    Ich hege keinerlei Interesse für derlei Klatsch, kann es im Bedarfsfall aber geschickt vortäuschen. Unterdessen ließ ich Caudicus nicht aus den Augen. Ich wartete darauf, dass er sich durch ein nervöses Zucken verriet, durch eine Schweißperle, ein kurzes Innehalten. Doch ich bemerkte nichts, nicht den leisesten Hinweis darauf, dass er ein Gift für den Maer anrührte. Er war die Ruhe selbst und schien vollkommen mit sich im Reinen.
    Wusste er etwa gar nicht, dass er den Maer vergiftete? Unmöglich. Jeder Arkanist, der sein Gildenabzeichen wert war, verstand genug von Chemie, um …
    Mir dämmerte plötzlich ein Verdacht. Vielleicht war Caudicus gar kein Arkanist, sondern einfach nur ein Mann in einem schwarzen Talar, der nicht zwischen Alligator und Krokodil unterscheiden konnte. Vielleicht war er nur ein Betrüger, der den Maer aus Unwissenheit vergiftete.
    Womöglich destillierte er in seinem Kolben tatsächlich Pfirsichschnaps.
    Caudicus drückte den Korken auf das Fläschchen mit der bernsteinfarbenen Flüssigkeit und reichte es mir. »Bitte sehr«, sagte er. »Bringt es dem Maer auf dem schnellsten Weg. Es sollte noch warm sein, wenn er es bekommt.«
    Die Temperatur einer Arznei hat keinen Einfluss auf deren Wirksamkeit, das weiß jeder Physikus.
    Ich nahm das Fläschchen und zeigte auf Caudicus’ Brust, als hätte ich dort soeben etwas bemerkt. »Meiner Treu, ist das ein Amulett?«
    Er schien zuerst verwirrt, doch dann zog er den Lederriemen unter seinem Talar hervor. »Jedenfalls etwas in der Art«, erwiderte er |600| mit einem nachsichtigen Lächeln. Auf den ersten Blick sah das Bleiplättchen, das er um den Hals trug, wie das Gildenabzeichen des Arkanums aus.
    »Dient es als Schutz vor bösen Geistern?«, fragte ich ehrfürchtig.
    »Oh ja«, antwortete er ein wenig schnippisch. »Vor allen möglichen Geistern.«
    Ich schluckte nervös. »Darf ich es berühren?«
    Er zuckte die Schultern, beugte sich vor und hielt es mir hin.
    Ich nahm es ängstlich mit Daumen und Zeigefinger und sprang zurück. »Es hat mich gebissen!«, rief ich in einer Mischung aus Empörung und Angst und wrang die Hände.
    Caudicus unterdrückte ein Lächeln. »Wirklich? Wahrscheinlich muss ich ihm etwas zu essen geben.« Er steckte das Amulett wieder ein. »Geht jetzt.« Er scheuchte mich mit den Händen zur Tür.
    Ich kehrte in die Gemächer des Maer zurück und massierte mir unterwegs die tauben Finger. Das Gildenabzeichen war tatsächlich echt. Caudicus war ein Arkanist und wusste genau, was er tat.

    Ich tauschte mit dem Maer befangen einige Floskeln aus, während ich die Futterspender der Schnipper mit der noch warmen Arznei auffüllte. Die Vögel flatterten aufreizend lebendig durch ihren Käfig und flöteten und zwitscherten lieblich.
    Der Maer nippte unterdessen an einer Tasse Tee und folgte meinen Verrichtungen vom Bett aus mit den Augen. Ich versorgte die Vögel und verabschiedete mich, sobald der Anstand es erlaubte.
    Wir hatten in unserem Gespräch nur über Belanglosigkeiten wie das Wetter geplaudert, trotzdem verstand ich seine Botschaft so deutlich, als hätte er sie für mich aufgeschrieben. Er war wieder Herr der Lage und hielt sich alle Möglichkeiten offen. Er vertraute mir nicht.

|601| Kapitel 63
Der goldene Käfig
    N ach dieser kurzen Abwechslung war ich wieder an mein Quartier gefesselt. Zwar hatte der Maer das Schlimmste überstanden und befand sich, wie ich hoffte, auf dem Weg der Genesung, doch musste ich verfügbar sein, sollte sein Zustand sich verschlechtern und er mich rufen. Unter diesen Umständen durfte ich mir nicht einmal einen kurzen Ausflug in die Stadt erlauben, so gern ich auch in die Spenglerstraße zurückgekehrt wäre, um dort womöglich Denna zu begegnen.
    Ich meldete mich also bei Bredon, und wir verbrachten einen angenehmen Nachmittag beim Tak. Wir spielten eine Partie nach der anderen, und ich verlor auf immer wieder neue, spannende Weise. Beim Abschied ließ Bredon das Spieltischchen bei mir stehen. Seine Diener, behauptete er, seien es leid, das Tischchen fortwährend zwischen unseren Räumen hin und her zu tragen.
    Außer dem Tak mit Bredon und meiner Musik hatte ich eine weitere Beschäftigung, die mich freilich

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