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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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fiel nach vorn und strich mir über den Handrücken. »Er ist als Lord sein eigener Herr.«
    »
Skethe te retaa van
«, fluchte ich. »Schließt eure Söhne und Töchter weg.«
    Denna lachte wieder leise. Sie bebte am ganzen Leib vor zurückgehaltenem Gelächter.
    »Halt still«, sagte ich und ergriff sacht ihr Ohr.
    Denna atmete tief durch und nahm sich zusammen. Ich fädelte ihr den Ring durchs Ohrloch und trat einen Schritt zurück. Sie hob eine Hand und prüfte den Sitz, trat dann ebenfalls zurück und machte einen Knicks. »Herzlichen Dank für deine Hilfe.«
    Ich verneigte mich erneut vor ihr. Diese Verneigung war nicht so formvollendet wie die vorherige, aber aufrichtiger. »Stets zu Diensten, Mylady.«
    Denna lächelte und wandte sich zum Gehen, und in ihren Augen irrlichterte es wieder.

    |78| Der Form halber suchte ich anschließend das erste Obergeschoss zu Ende ab, doch Threpe schien nicht da zu sein. Da ich mir die Verlegenheit einer zweiten Begegnung mit Denna und ihrem kleinen Lord ersparen wollte, schenkte ich mir den zweiten Rang.
    Sim wirkte so angeregt wie stets nach der fünften Runde. Manet hing auf seinem Stuhl, die Augen halb geschlossen, und ließ seinen Krug auf der Wölbung seiner Plauze ruhen. Wil sah aus wie eh und je, und seine dunklen Augen blickten unergründlich.
    »Threpe ist nicht aufzutreiben«, sagte ich und setzte mich wieder. »Tut mir leid.«
    »Sehr schade«, sagte Sim. »Hat er eigentlich schon einen Schirmherrn für dich gefunden?«
    Ich schüttelte mit bitterer Miene den Kopf. »Ambrose hat sämtliche Adligen im Umkreis von hundert Meilen bedroht oder bestochen. Von denen will keiner mehr was mit mir zu tun haben.«
    »Und wieso nimmt Threpe dich nicht selbst unter seine Fittiche?«, fragte Wilem. »Er schätzt dich doch sehr.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Threpe unterstützt schon vier andere Musiker. Zwei davon sind ein Ehepaar.«
    »Vier?«, sagte Sim entgeistert. »Da ist es ja ein Wunder, dass er sich noch was zu essen leisten kann.«
    Wil neigte neugierig den Kopf, und Sim beugte sich vor und erläuterte: »Threpe ist ein Graf, aber seine Besitzungen sind wirklich nicht sehr umfangreich. Mit solchen Einkünften vier Musiker zu unterstützen, ist schon ein bisschen … extravagant.«
    Wil runzelte die Stirn. »Ein paar Getränke und ein paar neue Saiten, so teuer kann das doch wohl nicht sein.«
    »Ein Schirmherr ist für mehr als nur das verantwortlich.« Sim begann es an den Fingern abzuzählen. »Da ist zum einen die Schirmherrschaftsurkunde selbst. Dann hat er für Kost und Logis zu sorgen. Darüber hinaus zahlt er eine jährliche Apanage. Er stellt jedem eine Kleidergarnitur in den Familienfarben zur Verfügung …«
    »Zwei Garnituren – traditionellerweise«, schaltete ich mich ein. »Und zwar jedes Jahr neu.« Als Kind hatte ich die Livreen, die Lord Greyfallow unserer Truppe zur Verfügung stellte, nie zu schätzen gewusst. Heutzutage jedoch kam ich um den Gedanken, wie enorm |79| meine Garderobe mit zwei neuen Kleidergarnituren aufgebessert wäre, nicht herum.
    Simmon grinste, als ein Kellner an unseren Tisch kam, und ließ damit keinen Zweifel aufkommen, wem die vier Gläser Brombeerbrand zu verdanken waren, die nun vor uns abgestellt wurden. Sim erhob sein Glas und trank einen ordentlichen Schluck. Ich erhob mein Glas ebenfalls, Wilem ebenso, auch wenn es ihm offensichtlich widerstrebte. Manet verharrte reglos, und mir kam der Verdacht, dass er eingeschlafen war.
    »Das lohnt sich doch alles nicht«, sagte Wilem und stellte sein Glas wieder hin. »Das Einzige, was der Schirmherr davon hat, sind leere Taschen.«
    »Der Schirmherr tut damit was für sein Renommee«, erklärte ich. »Deshalb tragen die Musiker seine Livreen. Darüber hinaus steht ihm ständig ein Musikensemble zur Verfügung – für Gesellschaften, Tanzvergnügen, Festumzüge. Und bei Bedarf schreiben sie ihm manchmal sogar eigene Lieder oder Singspiele.«
    Wil blieb skeptisch. »Es kommt mir aber immer noch so vor, als würde der Schirmherr dabei viel schlechter wegkommen als die Musiker.«
    »Weil du eben nur die eine Seite der Medaille siehst«, sagte Manet und richtete sich auf seinem Stuhl auf. »Du bist ein Großstadtkind. Du hast keine Ahnung, wie es ist, in einem kleinen Ort aufzuwachsen, wo alles Land ringsherum nur einem einzigen Mann gehört.«
    Manet malte mit etwas vergossenem Bier einen Kreis auf die Tischmitte. »Das hier sind Lord Poncingtons Ländereien«, sagte er. »Und

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