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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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darin lebst du wie der brave kleine Bürger, der du bist.« Manet nahm Simmons leeres Glas und stellte es in den Kreis.
    »Eines Tages kommt ein Mann, der Lord Poncingtons Farben trägt, durch den Ort.« Manet nahm sein volles Schnapsglas, tat so, als trabte das Glas über den Tisch, und stellte es schließlich neben Sims leeres Glas in den Kreis. »Dieser Mann spielt in dem Wirtshaus dort unentgeltlich Musik für jedermann.« Manet goss ein wenig von dem Brombeerbrand in Sims Glas.
    Sim ließ sich nicht zweimal bitten, grinste und trank.
    |80| Manet trabte mit seinem Glas wieder auf dem Tisch herum und stellte es erneut in den Kreis. »Im nächsten Monat kommen ein paar andere Leute durch den Ort, die ebenfalls die Farben des Lords tragen und ein Marionettentheater aufführen.« Er goss Simmon einen weiteren Schluck Brombeerbrand ein, und der kippte den Schnaps. »Im Monat drauf gibt es sogar ein richtiges Theaterstück.« Das Spielchen wiederholte sich.
    Jetzt nahm Manet seinen Holzkrug und polterte damit über den Tisch und in den Kreis hinein. »Dann kommt der Steuereintreiber, und auch der trägt die gleichen Farben.« Manet pochte mit seinem leeren Krug ungeduldig auf den Tisch.
    Sim guckte verdutzt und goss Manet aus seinem eigenen Krug etwas Bier hinein.
    Manet starrte ihn an und pochte noch einmal nachdrücklich mit dem Krug.
    Sim goss auch sein restliches Bier in Manets Krug und lachte. »Brombeerbrand mag ich sowieso lieber.«
    »Und Lord Poncington mag seine Steuern lieber«, sagte Manet. »Und die Leute mögen es, wenn sie unterhalten werden. Und der Steuereintreiber mag nicht vergiftet und hinter der alten Mühle verscharrt werden.« Er trank einen Schluck Bier. »Und so haben alle was davon.«
    Wil hatte das Ganze mit ernstem Blick verfolgt. »Das ergibt schon eher einen Sinn.«
    »Es geht dabei aber nicht immer nur ums Geld«, sagte ich. »Threpe will den Musikern wirklich helfen, ihr Können zu vervollkommnen. Andere Adlige hingegen behandeln ihre Musiker nicht groß anders als die Pferde in ihren Stallungen«, seufzte ich. »Doch selbst das wäre besser als das, was ich gegenwärtig habe – nämlich nichts.«
    »Du solltest dich aber auch nicht unter Wert verkaufen«, sagte Sim. »Hab Geduld, es wird sich schon ein guter Schirmherr für dich finden. Du hast es verdient. Du bist so gut wie die besten Musiker hier.«
    Ich schwieg, zu stolz, um ihnen die Wahrheit zu sagen. Ich war auf eine Art und Weise arm, wie sie es kaum verstehen konnten. Sim war ein aturischer Adliger, und Wils Familie waren Wollhändler aus |81| Ralien. Arm zu sein bedeutete für sie, nicht genug Geld zu haben, um so oft, wie man wollte, einen heben zu gehen.
    Angesichts der dräuenden Studiengebühren wagte ich nicht, auch nur einen Penny auszugeben. Ich konnte mir weder Kerzen noch Tinte noch Papier kaufen. Ich besaß keinen Schmuck, den ich hätte verpfänden können, bekam keinen Unterhalt und hatte keine Eltern mehr, die ich brieflich um Geld hätte bitten können. Kein auch nur halbwegs seriöser Geldverleiher gab mir auch nur ein müdes Scherflein. Und das war auch nicht weiter verwunderlich, denn schließlich war ich ein entwurzelter und verwaister Edema Ruh, dessen gesamte Habe in einen Leinensack gepasst hätte. Und zwar in einen eher kleinen.
    Bevor das Gespräch eine noch unangenehmere Wendung nehmen konnte, stand ich auf. »Jetzt wird’s aber Zeit, dass ich ein bisschen Musik mache.«
    Ich nahm meinen Lautenkasten und ging zu Stanchion, der am Bogen des Tresens saß. »Was hast du denn heute Abend Schönes für uns?«, fragte er und strich sich über den Bart.
    »Eine Überraschung.«
    Stanchion hielt beim Absteigen vom Hocker inne. »Die Art von Überraschung, die einen Tumult auslöst oder die Leute dazu bringt, mir den Laden in Brand zu setzen?«, fragte er.
    Ich lächelte und schüttelte den Kopf.
    »Gut.« Er lächelte ebenfalls und brach mit mir zur Bühne auf. »Wenn dem so ist, weiß ich Überraschungen durchaus zu schätzen.«

|82| Kapitel 6
Liebe
    S tanchion geleitete mich auf die Bühne und holte einen Stuhl für mich herbei. Dann trat er an die Rampe, um mit dem Publikum zu plaudern. Ich hängte meinen Umhang über die Rückenlehne des Stuhls, und derweil wurde das Licht im Saal gedämpft.
    Meinen ramponierten Lautenkasten legte ich auf den Boden. Er war sogar noch schäbiger als ich selbst. Einst war er ganz ansehnlich gewesen, doch das lag jetzt schon viele Jahre und viele Meilen zurück. Die

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