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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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aus.«
    |652| »Eine kleine Menge Blut, Speichel und Urin, außerdem einige Haare und Hautpartikel.« Ich seufzte innerlich. Für einen abergläubischen Vintaner musste das wie ein Rezept für einen bösen Zauber oder etwas ähnlich Lächerliches klingen.
    Der Maer kniff auch tatsächlich misstrauisch die Augen zusammen. »Ich bin in derlei Dingen unerfahren«, sagte er langsam, »doch zählst du genau die Substanzen auf, die ich nur ungern hergebe. Wie kann ich dir vertrauen?«
    Ich hätte ihm meine Ergebenheit beteuern, an meine vergangenen Dienste erinnern oder ihn darauf aufmerksam machen können, dass ich ihm schon einmal das Leben gerettet hatte. Doch im vergangenen Monat hatte ich die Denkweise des Maer besser kennen gelernt.
    Ich lächelte nur wissend. »Ihr seid ein kluger Mensch, Euer Gnaden. Ihr kennt die Antwort gewiss schon, ohne dass ich sie Euch sagen muss.«
    Er erwiderte mein Lächeln. »Tu mir trotzdem den Gefallen.«
    Ich zuckte die Schultern. »Tot könnt Ihr mir nichts mehr nützen, Euer Gnaden.«
    Er betrachtete mich einen Augenblick lang forschend, dann nickte er zufrieden. »Du hast recht. Benachrichtige mich, wenn du die Dinge brauchst.« Er wandte sich zum Gehen. »Drei Tage.«

|653| Kapitel 69
Tollheit
    I ch unternahm verschiedene Gänge in die Stadt, um die Stoffe für
    Alverons Gram zu besorgen. Rohgold, Nickel und Eisen, außerdem Kohle und verschiedene Säuren. Das Geld für meine Einkäufe beschaffte ich mir durch den Verkauf einiger Instrumente aus Caudicus’ Labor. Ich hätte auch den Maer um Geld bitten können, doch wollte ich als selbständiger Mensch mit eigenen Mitteln erscheinen, nicht als ständige finanzielle Last.
    Ganz zufällig kam ich bei meinen Käufen und Verkäufen an vielen Orten vorbei, an denen Denna und ich gemeinsam gewesen waren.
    Ich hatte mich so sehr daran gewöhnt, ihr zu begegnen, dass ich sie überall zu sehen meinte. Täglich bekam ich aufs Neue Herzklopfen, wenn ich sie um eine Ecke biegen, im Laden eines Schusters verschwinden oder die Hand heben und mir über einen Hof zuwinken sah. Doch nie war sie es wirklich, und abends kehrte ich noch betrübter in die Burg des Maer zurück als am Tag zuvor.
    Verschlimmernd kam hinzu, dass Bredon vor einigen Tagen Severen verlassen hatte, um einige in der Nähe wohnende Verwandte zu besuchen. Erst als er weg war, bemerkte ich, wie sehr ich mich an ihn gewöhnt hatte.
    Ein Gram ist wie gesagt nicht besonders schwer herzustellen, wenn man die nötigen Instrumente und einen Bauplan hat und außerdem ein Alar wie eine Klinge aus Ramston-Stahl. In Caudicus’ Turm fand ich Werkzeuge, die zur Bearbeitung von Metall taugten, auch wenn sie nicht annährend so gut waren wie die im Handwerkszentrum. Auch der Bauplan bereitete mir weiter kein Kopfzerbrechen, da ich für solche Dinge ein gutes Gedächtnis habe.
    |654| Zugleich begann ich mit der Herstellung eines zweiten Gram, als Ersatz für das, das ich verloren hatte. Aufgrund der vergleichsweise primitiven Werkzeuge, mit denen ich arbeiten musste, blieb mir leider keine Zeit, es ganz fertigzustellen.
    Das Gram des Maer wurde drei Tage nach unserem Gespräch fertig und sechs Tage nach Dennas plötzlichem Verschwinden. Tags darauf beendete ich meine sinnlose Suche nach Denna, setzte mich in ein Café im Freien und suchte nach einer Eingebung für das Lied, das ich dem Maer schuldete. Der einzige schöpferische Akt, der mir in den zehn dort verbrachten Stunden glückte, war die geheimnisvolle Verwandlung einer Gallone Kaffee in aromatisch riechende Pisse.
    An jenem Abend betrank ich mich sinnlos mit Scutten und schlief an meinem Schreibtisch ein. Meluans Lied blieb unvollendet. Der Maer war darüber keineswegs erfreut.

    Am siebten Tag tauchte Denna wieder auf. Ich war in der Stadt unterwegs und sah mich unwillkürlich immer wieder suchend um. Trotzdem entdeckte sie mich zuerst. Lachend eilte sie herbei und erzählte mir aufgeregt von einem Lied, das sie am Tag zuvor gehört hatte. Wir verbrachten den Tag in schönster Eintracht, als sei sie nie fort gewesen.
    Nach ihrem rätselhaften Verschwinden fragte ich sie nicht. Ich kannte sie jetzt seit über einem Jahr und wusste ein wenig von dem, was in ihr vorging, und dass sie nicht gern über ihr Privatleben sprach. Ich wusste, dass sie Geheimnisse hatte.
    Den Abend verbrachten wir in einem kleinen Garten unmittelbar am Rand der Bastion. Wir saßen auf einer hölzernen Bank und schauten auf die dunkle Stadt hinunter, ein

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