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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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Eld, der schon eine lange Geschichte gehabt hatte, als sich in Vintas noch eine Hand voll kleiner Seekönige um die Macht gezankt hatten. Das Gebiet lag gut achtzig Meilen entfernt. Wir konnten in vier Tagen strammen Marschierens dort sein.
    Stapes versorgte mich mit einem neuen Reisesack, den ich packte, so gut es ging. Ich nahm einige praktischere Kleider aus meinem Schrank mit, obwohl auch sie immer noch besser für den Ballsaal taugten als für die Straße, außerdem einige Dinge, die ich in den vergangenen Tagen aus Caudicus’ Labor hatte mitgehen lassen. Stapes gab ich eine Liste wichtiger Dinge, die mir fehlten, und er beschaffte sie schneller als jeder Krämer.
    Endlich, zu einer Stunde, in der nur noch Verzweifelte und Diebe wachen, gab Alveron mir eine Börse mit hundert silbernen Bits. »Keine besonders elegante Lösung«, sagte er. »Unter normalen Umständen hätte ich dir ein Schreiben mitgegeben, das alle Bürger anweist, dir die notwendige Hilfe zukommen zu lassen.« Er seufzte. »Doch ein solches Schreiben hätte dein Eintreffen wie eine Fanfare in alle Welt hinausposaunt.«
    Ich nickte. »Wenn die Banditen einen Spion in Eure Umgebung einschleusen konnten, haben sie bestimmt auch Verbindung zur einheimischen Bevölkerung, Euer Gnaden.«
    »Vielleicht
sind
sie ja die einheimische Bevölkerung«, sagte der Maer dunkel.
    Stapes brachte mich durch denselben Geheimgang, der die Gemächer des Maer mit meinem Quartier verband, aus der Burg. Mit Hilfe einer abgeschirmten Lampe, wie Diebe sie verwenden, führte er mich um zahlreiche Ecken und eine lange, tief in den Felsen der Bastion gehauene Treppe hinunter.
    |707| Zuletzt stand ich allein im kalten Keller eines ehemaligen Ladens in der Unterstadt von Severen, in einem Stadtteil, der vor einigen Jahren durch eine Feuersbrunst verwüstet worden war. Die letzten noch übrigen Dachbalken des Gebäudes hoben sich wie schwarze Gebeine vom ersten fahlen Schein der Morgendämmerung ab.
    Ich trat aus der verkohlten Ruine. Über mir saß die Burg des Maer wie ein Raubvogel auf der Bastion.
    Ich fluchte leise. Die Lage, in der ich mich befand, war keineswegs beneidenswert. Der Maer hatte mich gleichsam als Söldner zwangsverpflichtet. Meine Augen brannten von einer schlaflosen Nacht und dem langen Marsch durch die Eingeweide der Bastion. Der Wein, den ich getrunken hatte, tat ein Übriges. Zwar war ich im Verlauf der letzten Stunden allmählich wieder nüchtern geworden, dafür verschlimmerte sich mein Kater. Ich hatte diesen Vorgang noch nie in seiner vollen Länge im Wachzustand erlebt und fand ihn sehr lästig. Vor Alveron und Stapes hatte ich mich noch einigermaßen zusammengerissen, aber jetzt litt ich an heftigem Sodbrennen und konnte keinen klaren Gedanken fassen.
    Die kalte Nachtluft brachte ein wenig Besserung, und nach einigen Schritten fielen mir die ersten Dinge ein, die ich auf meiner Liste für Stapes vergessen hatte. Der Wein hatte mir einen bösen Streich gespielt. So hatte ich keine Streubüchse, kein Salz, kein Messer …
    Und meine Laute! Ich hatte sie nach der Reparatur des losen Wirbels noch nicht vom Lautenmacher abgeholt. Wer weiß, wie lange ich jetzt für den Maer Banditen jagen musste. Wann würde der Lautenbauer zu dem Schluss kommen, dass sie überhaupt nicht mehr abgeholt wurde?
    Ich machte einen Umweg von zwei Meilen, doch der Laden des Lautenmachers war dunkel. Vergeblich hämmerte ich an die Tür. Ich überlegte einen Moment lang unschlüssig und beschloss dann, einzubrechen und die Laute zu stehlen. Wobei man eigentlich nicht von Diebstahl sprechen kann, da die Laute ja mir gehörte und ich die Reparatur bereits im Voraus bezahlt hatte.
    Ich musste eine Mauer hinaufklettern, ein Fenster aufdrücken und zwei Schlösser knacken, alles ziemlich einfach, wenn ich nicht von Wein und Schlafmangel noch benebelt gewesen wäre. Wahrscheinlich |708| kann ich von Glück sagen, dass ich nicht vom Dach gefallen bin und mir den Hals gebrochen habe. Abgesehen von einem losen Dachziegel, der mir ein wildes Herzrasen bescherte, klappte alles reibungslos, und zwanzig Minuten später konnte ich meinen Weg fortsetzen.
    Die vier Söldner, die Alveron angeheuert hatte, warteten in einer Schenke zwei Meilen nördlich von Severen. Wir machten uns kurz miteinander bekannt und brachen sofort auf der Straße des Königs nach Norden auf.
    Das Denken bereitete mir noch solche Mühe, dass ich erst einige Meilen nördlich von Severen zu einigen weiteren

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