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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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uns allen, jammerte am meisten, fluchte am meisten und war so starrsinnig und unbeugsam wie ein dickes Eichenbrett. Der Gerechtigkeit halber sei gesagt, dass er ein umgängliches Wesen hatte und gerne lachte. Ich war versucht, ihn aufgrund seiner Manieren und seiner Größe für einfältig zu halten, doch besaß er, wenn es darauf ankam, einen raschen Verstand.
    Hespe war ein weiblicher Söldner, was gar nicht so selten ist, wie manche Leute meinen. Ihrem Aussehen und ihrer Ausrüstung nach war sie ein ziemlich genaues Spiegelbild Dedans. Sie trug die gleiche lederne Rüstung und das gleiche schwere Schwert und hatte die gleiche abgebrühte Art. Außerdem hatte sie breite Schultern, kräftige Hände und ein stolzes Gesicht mit einem Kinn wie ein Ziegelstein. Das blonde, feine Haar trug sie nach Männerart kurz geschnitten.
    In ihr nur eine weibliche Ausführung Dedans zu sehen, wäre freilich falsch gewesen. Sie war in sich gekehrt, wo Dedan den Draufgänger spielte. Und während Dedan ein lustiger Mensch war, wenn er nicht gerade einen Wutanfall hatte, strahlte Hespe eine Art Härte |712| aus, als rechne sie ständig damit, sich gegen jemanden zur Wehr setzen zu müssen.
    Marten, unser Fährtenleser, war der Älteste von uns. Er trug einen Kittel, ebenfalls aus Leder, allerdings aus weichem und besser gepflegten als das von Dedan und Hespe, außerdem ein langes Messer, ein kurzes Messer und einen Jagdbogen.
    Marten hatte als Jäger gearbeitet, war dann aber bei dem Baronet, um dessen Wald er sich gekümmert hatte, in Ungnade gefallen. Die Arbeit als Söldner war vergleichsweise schlecht bezahlt, ernährte ihn aber wenigstens. Zwar konnte er körperlich nicht mit Dedan oder Hespe mithalten, doch machte ihn sein geschickter Umgang mit dem Bogen für uns wichtig.
    Die drei hatten sich vor einigen Monaten zu einer losen Gruppe zusammengeschlossen und verkauften ihre Dienste seitdem gemeinsam. Marten sagte mir, sie hätten schon verschiedentlich für den Maer gearbeitet, zuletzt als Kundschafter in der Gegend um Tinuë.
    Ich erkannte schnell, dass Marten der beste Anführer unserer Gruppe gewesen wäre. Er kannte sich im Wald besser aus als wir anderen zusammen und hatte sich ein, zwei Mal auch schon gegen Kopfgeld als Menschenjäger betätigt. Darauf angesprochen, schüttelte er allerdings nur lächelnd den Kopf und meinte, zwischen der Fähigkeit, etwas zu tun, und dem Wunsch dazu bestehe ein großer Unterschied.
    Und schließlich war da noch ich, der furchtlose Anführer. Der Maer hatte mich in seinem Einführungsschreiben als »klugen und gebildeten jungen Mann mit vielen nützlichen Talenten« beschrieben. Das traf natürlich vollkommen zu, klang aber zugleich, als sei ich der unnützeste Höfling und größte Laffe aller Zeiten.
    Da half es natürlich auch nichts, dass ich um Jahre jünger war als die anderen und Kleider trug, die besser zu einem feinen Mahl als auf die Straße passten. Und statt Schwert, Rüstung und Messer trug ich meine Laute und die Börse des Maer.
    Die anderen wussten vermutlich nicht, was sie von mir halten sollten.

    |713| Eine Stunde vor Sonnenuntergang begegneten wir einem Kessler. Er trug den herkömmlichen braunen Kittel seines Standes mit einer Schnur als Gürtel. Statt eines Karrens führte er einen Esel, der so hoch mit verschiedenen Packen beladen war, dass er aussah wie ein Pilz.
    Der Kessler kam langsam näher und sang dabei:
     
    Hast du nichts zu richten, und es fehlt an nichten,
    Denkst du besser doch immer an deine Pflichten.
    Genieße die Sonne,
    Doch bei aller Wonne
    Bereust du es, wenn du die Pflege vergisst.
    Es ist besser, für morgen,
    Wenn es regnet, zu sorgen,
    Als den Kessler zu rufen, wenn du durchgenässt bist.
     
    Ich lachte und klatschte in die Hände. Echte fahrende Kessler sind eine seltene Spezies, und ich freue mich immer, wenn ich einem begegne. Laut meiner Mutter brachten sie Glück, und mein Vater schätzte sie als Nachrichtenquelle. Und da ich unbedingt noch einige Dinge benötigte, war er mir in diesem Fall gleich dreifach willkommen.
    »He, Kessler«, lachte Dedan. »Ich sehne mich nach einem warmen Feuer und einem Bier. Wie lange ist es noch bis zur nächsten Herberge?«
    Der Kessler zeigte in die Richtung, aus der er gekommen war. »Keine zwanzig Minuten zu Fuß.« Er musterte Dedan. »Aber Ihr könnt mir nicht erzählen, dass Ihr sonst nichts braucht«, hakte er nach. »Jeder braucht etwas.«
    Dedan schüttelte höflich den Kopf. »Entschuldigt mich

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