Die Furcht des Weisen / Band 1
ausfindig machen?«
Alveron lachte kurz trocken. »Gewiss könnte er das. Spätestens in zehn Tagen hätte er sie gefunden und aufgeknüpft.«
»Warum schickt Ihr ihn dann nicht?«, fragte ich verwirrt.
»Weil er in sehr geraden Bahnen denkt. Er würde auf der Suche nach den Banditen im Eld ein Dutzend Dörfer dem Erdboden gleichmachen und tausend Morgen Land niederbrennen.« Der Maer schüttelte den Kopf. »Und selbst wenn ich ihn für geeignet hielte, er ist gegenwärtig damit beschäftigt, Caudicus aufzuspüren. Außerdem halte ich es für möglich, dass im Eld auch mit Zauberei gekämpft wird, und damit wäre Dagon überfordert.«
Ich vermutete, dass die »Zauberei« lediglich aus einem halben Dutzend kräftiger modeganischer Langbögen bestand. Aber natürlich sprechen die Menschen schnell von Zauberei, wenn sie sich etwas nicht gleich zusammenreimen können, vor allem in Vintas.
Alveron beugte sich ein wenig vor. »Darf ich dich in dieser Angelegenheit um Hilfe bitten?«
Darauf konnte es nur eine Antwort geben. »Selbstverständlich, Euer Gnaden.«
»Findest du dich im Wald zurecht?«
»Ich habe es als Kind von einem Jäger gelernt.« Ich übertrieb ein wenig in der Annahme, er brauche jemanden, der seinen Beamten half, sich unterwegs besser zurechtzufinden. »Ich kann Spuren lesen und mich vor anderen verstecken.«
Alveron hob die Augenbrauen. »Wirklich? Du hast eine recht vielfältige Erziehung genossen, wie mir scheint.«
»Ich habe ein interessantes Leben geführt, Euer Gnaden.« Der Wein, den ich getrunken hatte, machte mich ungewöhnlich mutig, und ich fügte hinzu: »Ich könnte Euch vielleicht den einen oder anderen Vorschlag zur Lösung Eures Problems machen.«
Der Maer beugte sich erneut vor. »Sprich.«
»Ich könnte Eure Leute womöglich durch einen Zauber schützen.« Ich zeichnete mit den langen Fingern meiner rechten Hand einen Schnörkel in die Luft, der hoffentlich ausreichend geheimnisvoll wirkte. Zugleich überschlug ich im Kopf, wie lange es dauern |705| würde, nur mit Hilfe der Geräte in Caudicus’ Turm einen Pfeilfänger herzustellen.
Alveron nickte nachdenklich. »Das würde wahrscheinlich genügen, wenn es mir nur um die Sicherheit meiner Beamten ginge. Aber da es sich um eine Straße des Königs handelt, einen wichtigen Handelsweg, muss ich den Banditen das Handwerk legen.«
»In diesem Fall würde ich eine kleine Gruppe von Männern zusammenstellen, die gelernt haben, sich unbemerkt im Wald zu bewegen. Sie müssten die Banditen ohne große Schwierigkeiten finden. Anschließend könntet Ihr ganz leicht Eure Wache entsenden und die Banditen festnehmen.«
»Einfacher wäre es, sie in einen Hinterhalt zu locken und zu töten, meinst du nicht?«, sagte Alveron langsam, wie um meine Reaktion auf seine Worte zu prüfen.
Ich nickte. »Oder das. Ihr seid der Herr über das Gesetz.«
»Auf das Banditenwesen steht die Todesstrafe, zumal auf den Straßen des Königs«, sagte Alveron entschieden. »Oder findest du das zu hart?«
»Überhaupt nicht.« Ich erwiderte seinen Blick. »Sichere Straßen sind das Fundament der Zivilisation.«
Alveron überraschte mich mit einem Lächeln. »Übrigens hatte ich genau denselben Einfall. Ich habe bereits einige Söldner kommen lassen, die genau das tun sollen, was du vorgeschlagen hast. Natürlich muss ich geheim vorgehen, weil ich nicht weiß, wer die Banditen warnt. Doch stehen vier tüchtige Männer bereit, morgen aufzubrechen: ein Fährtenleser, zwei Söldner, die sich im Wald auskennen, und ein Krieger von den Adem. Er kostet mich übrigens eine schöne Stange Geld.«
Ich nickte anerkennend. »Ihr habt alles bereits umsichtiger geplant, als ich es gekonnt hätte, Euer Gnaden. Offenbar benötigt Ihr meine Hilfe nicht.«
»Ganz im Gegenteil«, erwiderte er. »Ich brauche noch jemanden, der den Verstand hat, sie zu führen.« Er sah mich vielsagend an. »Jemanden, der sich auf Zauberei versteht und dem ich vertrauen kann.«
Mir war plötzlich, als hätte mir jemand den Boden unter den Füßen weggezogen.
|706| Alveron stand auf und lächelte. »Du hast mir schon zweimal über alles Erwarten geholfen. Kennst du das Sprichwort ›Aller guten Dinge sind drei‹?«
Wieder konnte es vernünftigerweise nur eine Antwort auf seine Frage geben. »Jawohl, Euer Gnaden.«
Ich folgte Alveron in seine Gemächer, und wir studierten Karten der Gegend, in der seine Beamten verschwunden waren. Die Straße des Königs führte dort durch den
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