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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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Überlegungen fähig war. Erst jetzt kam mir der Verdacht, der Maer könnte am Vorabend womöglich nicht ganz aufrichtig zu mir gewesen sein.
    War ich wirklich am besten als Anführer einer Gruppe von Fährtenlesern geeignet, die in einem unbekannten Wald nach Straßenräubern suchen und sie töten sollten? Hielt der Maer wirklich so große Stücke auf mich?
    Nein, natürlich nicht. So schmeichelhaft die Vorstellung war, sie stimmte nicht. Der Maer hatte bessere Leute für so etwas. In Wirklichkeit wollte er jetzt, wo er seine Herzensdame praktisch gewonnen hatte, wahrscheinlich nur seinen dichtenden Gehilfen loswerden. Wie dumm von mir, dass ich das nicht früher erkannt hatte.
    Er schickte mich also auf eine vollkommen sinnlose Mission, in der Erwartung, dass ich einen Monat lang vergeblich durch den Wald des Eld irren und mit leeren Händen zurückkehren würde. Auch die Geldbörse passte in diesen Zusammenhang. Mit hundert Bits konnten wir uns etwa einen Monat lang verpflegen. Wenn das Geld aufgebraucht war, musste ich nach Severen zurückkehren. Der Maer würde enttäuscht mit der Zunge schnalzen und meinen Misserfolg gegen die Schuld aufrechnen, in der er bei mir stand.
    Wenn ich dagegen Glück hatte und die Banditen auftrieb, um so besser. Es war ein Plan, wie nur der Maer ihn sich ausdenken konnte. Egal wie die Sache ausging, er bekam, was er wollte.
    Zu meinem Ärger konnte ich schlecht nach Severen zurückkehren und ihn zur Rede stellen. Jetzt hatte ich schon zugesagt und musste wohl oder übel das Beste aus meiner Lage machen.
    |709| Während ich mit pochendem Schädel und ausgetrocknetem Mund weiter nach Norden marschierte, fasste ich einen Entschluss. Ich würde den Maer erneut überraschen und seine Banditen aufspüren.
    Dann waren wirklich aller guten Dinge drei, und er stand endgültig in meiner Schuld.

|710| Kapitel 75
Gefährten
    D ie ersten Stunden des Marsches verbrachte ich damit, die Männer kennenzulernen, die Alveron mir mitgegeben hatte. Wobei Männer nicht ganz stimmt: Einer meiner Begleiter war eine Frau.
    Tempi fiel mir zuerst auf und beschäftigte mich am längsten, denn er war der erste Söldner der Adem, den ich kennenlernte. Dabei war er keineswegs der furchterregende, kaltblütige Mörder, den ich erwartet hatte, sondern von eher unauffälliger Erscheinung, weder besonders groß noch besonders kräftig, mit heller Haut, rotblondem Haar und hellgrauen Augen. Sein Gesicht war seltsam leer, wie ein unbeschriebenes Blatt Papier. Er schien mit Absicht jede Gefühlsregung daraus verbannt zu haben.
    Dass die Adem als eine Art Erkennungszeichen blutrote Kleider trugen, wusste ich schon. Trotzdem war mir an Tempis Kleidung einiges neu. Sein Hemd lag aufgrund eines Dutzends weicher Lederriemen eng am Körper an, und auch die Hose war an Hüfte, Knien und Waden mit Lederriemen geschnürt. Alle Kleider waren in demselben leuchtenden Blutrot gefärbt und saßen so perfekt wie der Handschuh eines Kavaliers.
    Es wurde warm, und ich sah, wie Tempi anfing zu schwitzen. Nach der kalten, dünnen Luft des Stormwall musste ihm das Wetter hier unverhältnismäßig warm vorkommen. Eine Stunde vor Mittag löste er die Riemen seines Hemds, zog es aus und wischte sich damit den Schweiß von Gesicht und Armen. Dass er bis zur Hüfte nackt auf der Straße des Königs einhermarschierte, schien ihn nicht im Geringsten zu stören.
    |711| Seine helle Haut war fast so weiß wie Sahne, sein Körper schlank und geschmeidig wie der eines Windhunds. Das Spiel seiner Muskeln unter der Haut war von einer geradezu animalischen Anmut. Ich musste mich beherrschen, ihn nicht fortwährend anzustarren, doch fielen mir unwillkürlich die dünnen, hellen Narben auf, die seine Arme, seine Brust und seinen Rücken bedeckten.
    Er klagte mit keinem Wort über die Hitze. Überhaupt redete er wenig. Auf die meisten Fragen antwortete er mit einem Nicken oder Kopfschütteln. Er trug einen ähnlichen Reisesack wie ich, und sein Schwert war eher kurz und gewöhnlich und keineswegs furchterregend.
    Dedan war so verschieden von ihm, wie zwei Männer nur verschieden sein können. Er war groß, hatte eine breite Brust und einen Stiernacken. Bewaffnet war er mit einem schweren Schwert und einem langen Messer, und dazu trug er eine vielfach ausgebesserte Rüstung aus hartgekochtem Leder, deren einzelne Teile schlecht zusammenpassten. Wenn ihr je einen Karawanenwächter gesehen habt, wisst ihr, wie Dedan ungefähr aussah.
    Er aß am meisten von

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