Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
Vom Netzwerk:
Er griff in eine Satteltasche und holte eine Hand voll dicker Talgkerzen heraus. »Die braucht jeder.«
    Ich konnte komischerweise tatsächlich welche gebrauchen, wenn auch nicht aus dem Grund, den er annahm.
    »Ich habe auch Wachs zum Einreiben für Eure Stiefel«, fuhr der Kessler fort und suchte wieder in seinen Packen. »Um diese Jahreszeit regnet es oft heftig.«
    Ich hob lachend die Hände. »Ich gebe Euch einen Bit für vier Kerzen, aber mehr kann ich mir nicht leisten. Ich müsste Euch sonst noch den Esel abkaufen, um meine Einkäufe zu befördern.«
    »Wie Ihr wollt«, antwortete er mit gleichmütigem Achselzucken. »Es war mir ein Vergnügen.«

|719| Kapitel 76
Zunder
    D ie Sonne ging gerade unter, als wir am zweiten Abend einen für unser Nachtlager geeigneten Platz fanden. Dedan machte sich auf die Suche nach Brennholz, Marten schnitt Karotten und Kartoffeln klein und schickte Hespe mit dem Kochtopf zum Wasserholen. Ich hob mit Martens kleinem Spaten eine Grube für unser Feuer aus.
    Tempi nahm unaufgefordert einen trockenen Ast zur Hand und spaltete mit seinem Schwert dünne Späne davon ab, die wir als Zunder verwenden konnten. Sein Schwert sah nicht besonders eindrucksvoll aus. Doch danach zu schließen, wie leicht er damit papierdünne Streifen von dem Ast abschnitt, musste es rasiermesserscharf sein.
    Ich hatte die Feuergrube mit Steinen gesäumt, und Tempi reichte mir eine Hand voll Zunder.
    Ich nickte. »Willst du mein Messer verwenden?«, fragte ich, in der Hoffnung, ihn in ein Gespräch zu verwickeln. Ich hatte in den vergangenen beiden Tagen kaum ein Dutzend Worte mit ihm gewechselt.
    Tempi ließ den Blick seiner blassgrauen Augen auf dem Messer an meinem Gürtel ruhen und sah wieder sein Schwert an. Dann schüttelte er den Kopf und machte eine unruhige Handbewegung.
    »Aber schadet das Holzspalten nicht der Klinge?«
    Der Söldner hob nur die Schultern und wich meinem Blick aus. Ich schickte mich an, Feuer zu machen, und dabei beging ich meinen ersten Fehler.
    Es war kühl, und wir waren alle müde. Statt eine halbe Stunde damit zu verbringen, ein kleines Flämmchen anzufachen, bis daraus ein anständiges Lagerfeuer wurde, ordnete ich einige Zweige um |720| Tempis Zunder und schichtete darauf immer dickere Stöcke zu einem kompakten Holzhaufen.
    Dedan kehrte mit einem weiteren Arm voll Brennholz zurück, als ich gerade fertig war. »Na wunderbar«, brummte er so leise, als rede er mit sich selbst, aber doch laut genug, dass alle ihn hören konnten. »Und so einer ist unser Anführer. Großartig.«
    »Was passt dir jetzt schon wieder nicht?«, fragte Marten müde.
    »Der Junge hat einen Turm aus Holz gebaut, kein Feuer.« Dedan seufzte theatralisch und fuhr in einem Ton fort, den er wahrscheinlich für väterlich hielt, der sich aber überaus herablassend anhörte: »Pass auf, ich helfe dir. So brennt das nie. Hast du Stahl und Feuerstein? Ich zeige dir, wie man damit Feuer macht.«
    Niemand lässt gern in solch einem Ton mit sich reden, und mir geht so etwas ganz besonders gegen den Strich. Dedan gab mir seit zwei Tagen zu verstehen, dass er mich für einen Idioten hielt.
    Ich seufzte tief. Es war mein müdester, überdrüssigster Seufzer. Mir war klar, was ich tun musste. Dedan hielt mich für einen unnützen Schnösel, und ich musste ihm mit allem Nachdruck klarmachen, dass das keineswegs stimmte. »Dedan«, fragte ich, »was weißt du über mich?«
    Er sah mich verständnislos an.
    »Du weißt vor allem eins«, sagte ich ruhig. »Nämlich dass der Maer mich zu eurem Anführer gemacht hat.« Ich sah ihm in die Augen. »Ist der Maer ein Narr?«
    Dedan machte eine abwehrende Handbewegung. »Natürlich nicht, ich meinte doch nur …«
    Ich stand auf und bereute es sofort, da man jetzt deutlich sah, wie viel größer Dedan war. »Hätte der Maer mich zu eurem Anführer gemacht, wenn ich ein Narr wäre?«
    Dedan lächelte krampfhaft und versuchte so zu tun, als seien die abfälligen Äußerungen der vergangenen beiden Tage nur eine Art Missverständnis gewesen. »Reg dich nicht auf, ich habe nur …«
    Ich hob die Hand. »Es ist nicht deine Schuld. Du kennst mich ja nicht. Aber lass uns das nicht heute Abend besprechen. Wir sind alle müde. Glaub mir einstweilen, dass ich kein reicher Schnösel bin, der sich nur einen Spaß mit euch erlaubt.«
    |721| Ich nahm einen dünnen Holzspan zwischen die Finger und konzentrierte mich darauf. Ich erzeugte mehr Wärme, als ich brauchte, und spürte, wie mein

Weitere Kostenlose Bücher