Die Furcht des Weisen / Band 1
das Gesicht. »Ihr habt recht, Kessler. Aber wie viel wird mich das alles kosten?«
Er betrachtete meine Einkäufe. »Salz und Behälter vier Bit, Messer |716| fünfzehn, Papier, Federn und Tinte achtzehn und die Streubüchse drei.«
»Und die Überbringung des Briefes.«
»Auf dem schnellsten Wege?«, fügte der Kessler mit einem kleinen Lächeln hinzu. »Und an eine Dame, wenn ich Euer Gesicht richtig deute.«
Ich nickte.
»Hm.« Er rieb sich das Kinn. »Im Normalfall verlange ich dafür fünfunddreißig Bit und lasse mich dann von Euch in aller Ruhe auf dreißig herunterhandeln.«
Der Preis war angemessen, zumal wenn man bedachte, wie schwer gutes Papier zu finden war. Doch handelte es sich um ein volles Drittel des Geldes, das der Maer mir mitgegeben hatte, und wir brauchten dieses Geld für Essen, Unterkunft und andere notwendige Dinge des täglichen Lebens.
Bevor ich noch etwas sagen konnte, fuhr der Kessler schon fort. »Ich merke, dass Euch das zu viel ist«, sagte er. »Ihr haltet mich hoffentlich nicht für dreist, wenn ich sage, dass Ihr einen sehr schönen Mantel tragt. Ich bin immer zu einem Tausch bereit.«
Ein wenig verlegen zog ich meinen weinroten Mantel fester um mich. »Ich würde ihn hergeben«, sagte ich, und das Bedauern in meiner Stimme musste ich nicht heucheln. »Aber dann hätte ich keinen Mantel mehr. Wie könnte ich mich vor Regen schützen?«
»Kein Problem«, erwiderte der Kessler. Er zog ein zusammengefaltetes Stück Stoff aus einem Packen und schüttelte es vor mir aus. Der Mantel war einmal schwarz gewesen, hatte sich aber durch langen Gebrauch und vieles Waschen dunkelgrün verfärbt.
»Er ist schon ein wenig verschlissen«, sagte ich und zeigte auf einen ausgefransten Saum.
»Nur eingetragen«, erwiderte der Kessler unbekümmert und legte ihn mir um die Schultern. »Und er passt. Die Farbe steht Euch, bringt Eure Augen gut zur Geltung. Außerdem solltet Ihr nicht zu wohlhabend aussehen, solange Räuber die Straße unsicher machen.«
Ich seufzte. »Was gebt Ihr mir dafür?« Ich reichte ihm den Mantel. »Er ist wohlgemerkt noch keinen Monat alt und war noch nie dem Regen ausgesetzt.«
|717| Der Kessler strich mit den Händen über den schönen Stoff. »Er hat ja ganz viele kleine Taschen!«, rief er bewundernd. »Was für ein schönes Stück!«
Ich befingerte den zerschlissenen Stoff seines Mantels. »Wenn Ihr mir noch Nadel und Faden dafür gebt, tausche ich meinen Mantel gegen meine Einkäufe«, sagte ich, einem plötzlichen Einfall folgend. »Dazu bekommt Ihr von mir noch einen eisernen, einen kupfernen und einen silbernen Penny.«
Ich grinste. Es war nicht viel Geld, aber in den Geschichten wollen Kessler immer genau das, wenn sie dem arglosen Sohn einer Witwe irgendeinen sagenhaften zauberkräftigen Gegenstand verkaufen, mit dem er dann in die große weite Welt aufbricht.
Der Kessler warf den Kopf zurück und lachte. »Ich wollte Euch soeben dasselbe vorschlagen.« Er warf sich meinen Mantel über den Arm und gab mir einen festen Handschlag.
Ich suchte in meiner Börse und fand einen eisernen Deut, zwei vintische Halbpennys und zu meiner freudigen Überraschung einen aturischen Silberpenny. Ein solcher Penny war zu meinem Glück nur einen Bruchteil eines vintischen Silberrund wert. Ich leerte den Inhalt der Dutzend Taschen meines weinroten Mantels in meinen Reisesack und sammelte meine Einkäufe ein.
Dann schrieb ich rasch einen Brief an Denna, in dem ich erklärte, dass ich unerwartet im Auftrag meines Schirmherrn hätte verreisen müssen. Ich entschuldigte mich für meine unbesonnenen Worte und versprach, mich gleich nach meiner Rückkehr nach Severen bei ihr zu melden. Gern hätte ich mir mehr Zeit zum Schreiben genommen, meine Entschuldigung geschickter formuliert und mein Verhalten ausführlicher erklärt, doch der Kessler hatte meinen Mantel bereits eingepackt und wollte ganz offensichtlich so schnell wie möglich wieder aufbrechen.
Da ich kein Siegelwachs hatte, um den Brief zu verschließen, benützte ich einen Trick, den ich für meine Nachrichten an den Maer erfunden hatte. Ich faltete den Brief zusammen und steckte die Ecken dann so ineinander, dass man das Blatt zerreißen musste, um es wieder zu öffnen.
Ich gab den Brief dem Kessler. »Er geht an eine schöne, schwarzhaarige |718| Frau namens Denna. Sie wohnte in den VIER KERZEN in der Unterstadt von Severen.«
»Gut, dass Ihr es sagt«, rief der Kessler und steckte den Brief ein. »Kerzen.«
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