Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
Vom Netzwerk:
meine Laute in ihren Kasten zurück.
    Diesmal erklang das Gelächter zuerst. Die selben Leute wie zuvor, und nun johlten sie und schlugen noch lauter auf die Tische. Es waren meine Kollegen, die Musiker. Ich legte den gelangweilten Gesichtsausdruck ab und grinste ihnen mit wissender Miene zu.
    Der Beifall folgte ein paar Herzschläge später, war aber vereinzelt und verwirrt. Noch bevor das Licht im Saal wieder anging, hatte er sich in Dutzende leise Diskussionen aufgelöst.
    Marie eilte herbei, als ich die Bühnentreppe herabkam. Sie lachte, schüttelte mir die Hand und klopfte mir auf den Rücken. Sie war die Erste von vielen, und alle waren es Musiker. Bevor ich in diesem Pulk stecken bleiben konnte, hakte sich Marie bei mir unter und brachte mich an meinen Tisch zurück.
    |87| »Meine Güte«, sagte Manet, »du wirst hier ja behandelt wie ein richtiger kleiner König.«
    »Das ist nicht mal halb so viel Aufmerksamkeit, wie er normalerweise kriegt«, sagte Wilem. »Normalerweise jubeln sie immer noch, wenn er schon wieder an seinem Tisch angelangt ist. Scharen junger Frauen zwinkern ihm zu und streuen ihm Blumen auf den Weg.«
    Sim sah sich neugierig im Saal um. »Diese Reaktion erschien mir aber doch … durchwachsen. Woran liegt das?«
    »Es liegt daran, dass unser junger Sechssaitiger hier cleverer ist, als ihm guttut«, sagte Stanchion, der an unseren Tisch gekommen war.
    »Habt Ihr das auch schon bemerkt?«, sagte Manet.
    »Pscht«, sagte Marie. »Es war brillant.«
    Stanchion seufzte und schüttelte den Kopf.
    »Ich für meinen Teil«, sagte Wilem, »wüsste gern, worüber hier überhaupt gesprochen wird.«
    »Kvothe hat das einfachste Lied der Welt gespielt und es so aussehen lassen, als würde er Flachs zu Gold spinnen«, sagte Marie. »Und anschließend hat er ein überaus schwieriges Stück gespielt, das nur eine Hand voll Leute hier im Saal überhaupt meistern könnten, und hat es so leicht aussehen lassen, als könnte das auch ein kleines Kind auf einer Blechflöte hinbekommen.«
    »Ich will gar nicht bestreiten, dass das clever gemacht war«, sagte Stanchion. »Das Problem ist die Art und Weise. Alle, die nach dem ersten Lied aufgesprungen sind und applaudiert haben, kommen sich jetzt wie Idioten vor. Sie kommen sich vor, als hätte man einen Scherz mit ihnen getrieben.«
    »So ist es ja auch«, sagte Marie. »Aber ein Künstler manipuliert stets sein Publikum – auf die eine oder andere Weise.«
    »Die Leute mögen es aber nicht, wenn Scherze mit ihnen getrieben werden«, erwiderte Stanchion. »Ja, sie können es nicht ausstehen.«
    Nun meldete sich Manet zu Wort. »Es geht also darum, dass das Publikum zweigeteilt ist«, sagte er. »Der eine Teil versteht genug von Musik, um den Scherz zu verstehen, und dem anderen Teil müsste man den Scherz erst mal erklären.«
    |88| Marie zeigte mit triumphierender Geste auf Manet. »Genau das ist es«, sagte sie zu Stanchion. »Wenn man hierher kommt und nicht genug Ahnung von Musik hat, um diesen Scherz zu verstehen, hat man’s verdient, dass man ein bisschen an der Nase herumgeführt wird.«
    »Bloß dass die meisten dieser Leute zur Oberschicht gehören«, sagte Stanchion, »und unser Schlauberger hier immer noch keinen Schirmherrn hat.«
    »Wie bitte?«, sagte Marie. »Threpe hat das doch schon vor Monaten kundgetan. Wieso hat dich denn immer noch niemand unter seine Fittiche genommen?«
    »Wegen Ambrose Jakis«, erklärte ich.
    Der Name schien ihr nichts zu sagen. »Ist das ein Musiker?«
    »Der Sohn eines Barons«, sagte Wilem.
    Sie runzelte die Stirn. »Und wieso kann der verhindern, dass du einen Schirmherrn bekommst?«
    »Er hat viel Zeit zur Verfügung und alles Geld der Welt«, erwiderte ich.
    »Sein Vater ist einer der mächtigsten Männer von Vintas«, fügte Manet hinzu und wandte sich dann an Simmon. »Wo steht er noch mal in der Thronfolge? Platz sechzehn?«
    »Dreizehn«, erwiderte Simmon mürrisch. »Die Familie Surthen ist doch vor zwei Monaten auf See ums Leben gekommen. Ambrose redet ständig davon, dass sein Vater nun kaum mehr als ein Dutzend Schritte vom Königsthron entfernt ist.«
    Manet wandte sich an Marie. »Kurz gesagt: Dieser Baronssohn hat allerhand Einfluss und scheut sich nicht, ihn auch geltend zu machen.«
    »Fairerweise sollte erwähnt werden«, sagte Stanchion, »dass der junge Kvothe nicht unbedingt der glänzendste Gesellschafter des ganzen Commonwealth ist.« Er räusperte sich. »Was sein Auftritt heute Abend wieder

Weitere Kostenlose Bücher