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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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schlafen.

|747| Kapitel 79
Spuren
    N ach dem Frühstück zeigte Marten Tempi und mir, wie wir nach Spuren der Banditen suchen konnten.
    Ein zerrissenes Hemd, das an einem Ast hängt, oder einen tief in den Boden eingedrückten Fußabdruck sieht jeder. In einem Theaterstück mag derlei vorkommen, im wirklichen Leben nicht. Ganz im Ernst: Wer hat ein Hemd je so stark zerrissen, dass er gleich das ganze Kleidungsstück zurückgelassen hätte?
    Niemand. Die Banditen, hinter denen wir her waren, waren mit allen Wassern gewaschen, und wir durften nicht erwarten, dass sie deutlich sichtbare Spuren hinterließen. Marten hatte als Einziger von uns eine genauere Vorstellung davon, wonach wir eigentlich suchten.
    »Zum Beispiel nach abgebrochenen Zweigen«, sagte er. »Vor allem im dichten Unterholz auf Höhe der Hüften oder Knöchel.« Er tat so, als zwänge er sich zwischen Büschen hindurch und schiebe Äste mit den Händen zur Seite. »Die eigentlichen Bruchstellen sind oft schwer zu erkennen, achtet lieber auf die Blätter.« Er deutete auf einen Busch. »Was seht ihr dort?«
    Tempi zeigte auf einen tiefhängenden Ast. Er trug an diesem Morgen seine einfachen grauen Kleider anstelle der roten und wirkte damit noch unscheinbarer.
    Ich folgte seinem Arm und sah, dass der Ast gebrochen war.
    »Ist hier also jemand entlanggegangen?«, fragte ich.
    Marten rückte den Bogen, der ihm von der Schulter zu rutschen drohte, mit einer Bewegung zurecht. »Das war ich gestern Abend. Seht ihr, wie die Blätter anfangen zu verwelken?«
    Ich nickte.
    |748| »Das heißt, dass innerhalb der letzten vierundzwanzig Stunden jemand hier entlanggegangen ist. Wenn es schon zwei oder drei Tage her wäre, wären die Blätter braun und abgestorben. Und wenn ihr schlaffe und braune Blätter nebeneinander seht …« Er blickte mich an.
    »Bedeutet das, dass jemand diesen Weg wiederholt und im Abstand von einigen Tagen gegangen ist.«
    Marten nickte. »Während ich die Gegend erkunde und nach den Banditen Ausschau halte, sucht ihr nach solchen Spuren. Wenn ihr welche findet, ruft mich.«
    »Rufen?« Tempi legte die Hände trichterförmig an den Mund und drehte sich in verschiedene Richtungen. Dann zeigte er mit einer ausholenden Handbewegung auf unsere Umgebung und legte die Hand wie lauschend ans Ohr.
    Marten runzelte die Stirn. »Du hast recht, ihr solltet mich besser nicht rufen.« Er rieb sich ratlos den Nacken. »Verdammt, daran haben wir nicht gedacht.«
    Ich lächelte. »Ich schon«, sagte ich und zog eine einfache Holzpfeife aus der Tasche, die ich am Vorabend geschnitzt hatte. Sie hatte nur zwei Töne, aber mehr brauchten wir auch nicht. Ich hielt sie an den Mund und blies hinein.
Ta-ta diiiie, ta-ta diiiie.
    Marten grinste. »Das ist der Ruf einer Nachtschwalbe, nicht wahr? Die Tonhöhe stimmt genau.«
    Ich nickte.
    Marten räusperte sich und machte ein entschuldigendes Gesicht. »Schade nur, dass es sich um eine Nachtschwalbe handelt.
Nacht- Schwalbe
, verstehst du? Jeder Mensch, der sich im Wald auskennt, wird Verdacht schöpfen, wenn er sie bei Tag hört.«
    Ich betrachtete die Pfeife in meinen Händen. »Mist«, schimpfte ich, »daran hätte ich denken müssen.«
    »Aber die Idee ist gut«, sagte Marten. »Wir brauchen nur noch eine Pfeife für einen Tagvogel. Vielleicht einen Goldsänger.« Er pfiff zwei Töne. »Das wäre einfach.«
    »Heute Abend baue ich eine andere.« Ich hob einen Zweig vom Boden auf, brach ihn auseinander und gab Marten die eine Hälfte. »Bis dahin verständigen wir uns mit dem.«
    |749| Marten betrachtete den Zweig misstrauisch. »Und wie soll das gehen?«
    »Wenn du dir etwas ansehen sollst, das wir gefunden haben, mache ich folgendes.« Ich konzentrierte mich, murmelte eine Bindung und bewegte meine Hälfte des Zweigs.
    Marten machte erschrocken einen Satz und ließ den Zweig fallen. Wenigstens schrie er nicht. »Was zum Teufel war das?«, fauchte er und rieb sich die Hand.
    Ich war selbst erschrocken und mein Herz raste. »Tut mir leid, Marten, das war nur ein wenig Sympathie.« Zwischen seinen Augenbrauen erschien eine Falte. »Ein kleiner Zauber, eine Art Zauberschnur, mit der ich zwei Dinge verbinde.«
    Elxa Dal hätte sich über diese Beschreibung wahrscheinlich die Haare gerauft, aber ich sprach schnell weiter: »Ich verbinde also die beiden Hälften des Zweigs, und wenn ich dann meine Hälfte bewege …« Ich ging zu der Stelle, an der Martens Zweig auf dem Boden lag, und hob meine Hälfte. Die Hälfte

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