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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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»Nicht einmal sein Schwert sieht nach etwas Besonderem aus.«
    »Er sieht jedenfalls nicht so aus, als sei er zwanzig Mal so viel wert wie ich.« Dedan hatte leise gesprochen, aber nur so leise, dass ihn trotzdem alle hören konnten.
    Auch ich hatte mir wegen der roten Kleider schon Gedanken gemacht. Ich hatte verschiedentlich versucht, den Adem in ein Gespräch darüber zu ziehen, aber genauso gut hätte ich versuchen können mit einer Katze zu sprechen.
    Dass er das Wort »Meile« nicht kannte, hatte mir mit einiger Verspätung immerhin eines klargemacht: dass nämlich Aturisch nicht seine Muttersprache war. Ich selbst, der ich vor kurzem noch an der Universität versucht hatte, meine Kenntnisse in Siaru zu verbessern, konnte gut verstehen, dass man unter solchen Umständen lieber schwieg als zu reden und einen Narren aus sich zu machen.
    »Er könnte sich wie wir etwas ausdenken«, meinte Hespe zweifelnd.
    »Es ist schwer, überzeugend zu lügen, wenn man die Sprache nicht richtig beherrscht«, erwiderte ich.
    Tempis helle Augen wanderten zwischen uns hin und her, doch er schwieg weiterhin.
    »Menschen, die nicht gut sprechen können, werden oft unterschätzt«, |741| sagte Hespe. »Vielleicht könnte er sich einfach … dumm stellen? So tun, als hätte er sich verirrt?«
    »Müsste er sich überhaupt dumm stellen?«, fragte Dedan leise. »Vielleicht
ist
er es ja.«
    Tempi sah Dedan an. Seine Miene war noch immer unbewegt, doch sein Blick war schärfer geworden. Er holte ganz langsam Luft. »Stumm ist nicht dumm«, sagte er dann, ohne die Stimme zu erheben. »Du? Immer reden.
Ratatatatat.«
Er bewegte die Hand wie einen auf und zu gehenden Mund. »Immer. Wie ein Hund, der die ganze Nacht einen Baum anbellt. Du willst groß sein, aber du machst nur Lärm. Wie ein Hund.«
    Ich hätte nicht lachen dürfen, aber ich war auf so etwas nicht gefasst gewesen. Einmal, weil ich Tempi für einen ruhigen, eher apathischen Menschen hielt, aber auch, weil er vollkommen recht hatte. Wenn Dedan ein Hund gewesen wäre, hätte er ständig wegen nichts gebellt, nur um des Bellens willen.
    Trotzdem hätte ich nicht lachen dürfen, was ich aber tat. Hespe lachte auch und versuchte es zu unterdrücken, was noch schlimmer war.
    Dedan lief vor Wut dunkelrot an und stand auf. »Komm her und sag das noch einmal.«
    Tempi erhob sich mit unbewegtem Gesicht, ging um das Feuer und trat neben Dedan. Obwohl … wenn ich sage, er trat neben ihn, bekommt ihr vielleicht einen falschen Eindruck. Die meisten Menschen bleiben in zwei oder drei Schritt Entfernung stehen, wenn sie mit einem sprechen. Tempi dagegen ging so nah an Dedan heran, dass er ihn fast berührte. Als Nächstes hätte er ihn umarmen müssen.
    Ich könnte lügen und sagen, alles sei so schnell gegangen, dass ich nicht hätte eingreifen können. Aber das stimmt nicht. Die Wahrheit ist, dass ich nicht wusste, wie ich eingreifen sollte. Dazu kam noch ein Zweites: Ich hatte inzwischen selber von Dedan genug.
    Außerdem hatte ich Tempi noch nie so viel sprechen hören. Zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, benahm er sich wie ein Mensch und nicht wie eine Puppe, die zwar gehen, aber nicht sprechen konnte.
    |742| Und ich wollte ihn kämpfen sehen. Ich hatte schon viel von den legendären Fähigkeiten der Adem gehört und hoffte, dass er den kläffenden Dedan damit ein wenig zur Besinnung bringen würde.
    Tempi trat also so nahe an Dedan heran, dass er ihn hätte umarmen können. Dedan war einen ganzen Kopf größer als er und hatte breitere Schultern und eine breitere Brust. Tempi sah an ihm hinauf. Sein Gesicht zeigte auch jetzt keinerlei Gefühl, keine Herablassung, kein spöttisches Lächeln, nichts.
    »Du bist nur ein Hund«, sagte Tempi leise. Er betonte alle Silben gleichmäßig. »Ein Hund, der viel Lärm macht.« Er hob die Hand und bewegte sie wieder wie einen sich öffnenden und schließenden Mund.
»Ratatatatat.«
    Dedan hob ebenfalls die Hand und stieß sie Tempi gegen die Brust. Ich habe so etwas in den Schenken in der Nähe der Universität zu Genüge erlebt. Wer einen solchen Stoß an die Brust bekommt, stolpert rückwärts, verliert das Gleichgewicht und fällt womöglich hin.
    Nur dass Tempi nicht stolperte, sondern gelassen einen Schritt zurücktrat. Dann streckte er wie beiläufig den Arm aus und schlug Dedan seitlich an den Kopf, etwa so, wie Eltern einem ungezogenen Kind einen Klaps geben. Er schlug nur ganz leicht zu. Dedans Kopf bewegte sich nicht einmal, doch

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