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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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sich ausschütten vor Lachen, Hespe war durchaus nicht nach Lachen zumute. Dedan wiederum hätte sich vor Wut und Empörung am liebsten auf Tempi gestürzt, doch wusste er nicht, wie er einen nackten Mann angreifen sollte, ohne ihn anzusehen oder zu berühren.
    Am Tag danach wurde es feucht und neblig. Entsprechend sank unsere Stimmung, und wir kamen mit unserer Suche noch langsamer voran.
    Dann begann es zu regnen.

|830| Kapitel 89
Die Zeit drängt
    S eit vier Tagen war es bewölkt und regnete. Anfangs gaben die Bäume uns einen gewissen Schutz, doch stellten wir bald fest, dass die Blätter den Regen nur auffingen und der leiseste Wind das angesammelte Wasser auf uns niederprasseln ließ. Egal ob es regnete oder nicht, es tropfte ständig von oben auf uns herunter, und wir waren die ganze Zeit nass.
    Geschichten wurden nach dem Abendessen keine mehr erzählt. Marten erkältete sich und war schlecht gelaunt und bissig. Und zwei Tage zuvor war auch noch das Brot nass geworden. Das mag nicht weiter schlimm klingen, aber wer je den ganzen Tag im Regen marschiert ist und dann auch noch nasses Brot essen musste, weiß, was für eine Laune man dabei bekommt.
    Mit Dedan konnte man überhaupt nicht mehr vernünftig reden. Er jammerte ständig und beklagte sich über die einfachsten Aufgaben. Als er das letzte Mal einkaufen gegangen war, hatte er statt Kartoffeln, Butter und Bogensehnen eine Flasche billigen Fusels erstanden. Hespe war ohne ihn aus Crosson aufgebrochen. Er selbst kehrte erst gegen Mitternacht sternhagelvoll ins Lager zurück. Dabei sang er so laut, als wollte er Tote aus ihren Gräbern erwecken.
    Ich wies ihn nicht zurecht. Zwar hatte ich eine scharfe Zunge, doch schien Dedan dagegen immun. Stattdessen wartete ich, bis er eingeschlafen war, schüttete den restlichen Schnaps ins Feuer und stellte die leere Flasche mitten in die Glut. Danach machte er zwar keine abschätzigen Bemerkungen mehr über mich, verfiel dafür aber in eisiges Schweigen. Die Ruhe war angenehm, aber auch ein schlechtes Zeichen.
    |831| Da unser aller Nerven blank lagen, entschied ich, dass jeder ab sofort allein nach Spuren der Banditen suchen sollte. Ein Grund dafür war, dass zwei Personen, die auf dem nassen Boden hintereinander gingen, auf jeden Fall eine deutliche Fährte hinterließen. Der andere war, dass Dedan und Hespe sich, wenn ich sie zusammen losschickte, so heftig streiten würden, dass jeder Bandit im Umkreis von zehn Meilen sie hören musste.

    Nass und erschöpft kehrte ich ins Lager zurück. Die Stiefel, die ich in Severen gekauft hatte, waren nicht im Geringsten gegen Nässe imprägniert und saugten das Regenwasser auf wie Schwämme. Am Abend konnte ich sie zwar mit der Wärme des Feuers und ein wenig sorgfältig dosierter Sympathie trocknen, aber nach drei Schritten waren sie wieder durchnässt. Ich hatte also zusätzlich zu allem anderen seit Tagen kalte und nasse Füße.
    Wir waren inzwischen seit neunundzwanzig Tagen im Eld unterwegs. Ich überquerte die niedrige Anhöhe, hinter der unser Lager verborgen lag, und sah Dedan und Hespe einander gegenüber am Feuer sitzen. Sie sahen sich nicht an. Hespe ölte ihr Schwert, Dedan stocherte mit einem Stock im Boden vor sich herum.
    Ich war selbst nicht zu einem Gespräch aufgelegt und hoffte, nicht reden zu müssen. Wortlos trat ich zum Feuer.
    Nur dass es kein Feuer gab.
    »Was ist mit dem Feuer passiert?«, fragte ich blöde. Dabei lag die Antwort auf der Hand. Das Feuer war heruntergebrannt, bis nur noch verkohlte Stöcke und feuchte Asche übrig waren.
    »Ich bin nicht mit Holzholen dran«, antwortete Hespe spitz.
    Dedan stocherte mit seinem Stock in der Erde herum. Auf seiner Wange bemerkte ich einen blauen Fleck.
    Ich wollte nur etwas Warmes zu essen und für zehn Minuten trockene Füße haben. Dann wäre ich zwar noch nicht zufrieden gewesen, aber wenigstens zufriedener als tagsüber. »Es überrascht mich, dass ihr überhaupt noch ohne Hilfe pinkeln könnt«, schimpfte ich.
    Dedan sah mich böse an. »Was soll das heißen?«
    |832| »Als Alveron mich bat, diese Mission zu übernehmen, sagte er, Erwachsene würden mir helfen, nicht Kinder.«
    Dedan fuhr wütend hoch. »Du weißt ja nicht, was Hespe …«
    »Das ist mir ganz egal«, fiel ich ihm ins Wort. »Lass mich mit eurem ständigen Streit in Ruhe. Mir ist egal, was Hespe zu dir gesagt hat. Aber dass kein Feuer brennt, das ist mir nicht egal. Bei Tehlu, ein dressierter Hund wäre eine größere Hilfe!«
    Dedan

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