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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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Es würde nur noch eine knappe Stunde hell sein. Das Lager der Banditen ausfindig zu machen, ohne dabei erwischt zu werden, war schwer genug. Bei Nacht und Nebel war es ein Albtraum.
    »Das darfst du nicht tun«, sagte Tempi. Er fügte die Zeichen für
sehr ernst gemeint
hinzu. »Die Ruhe der Toten zu stören widerspricht dem Lethani.«
    »Aber ich muss unsere Gegner kennenlernen. Ich kann Dinge von ihnen erfahren, die uns helfen werden.«
    Tempi verzog skeptisch den Mund.
Missbilligung.
»Hat das mit Zauberei zu tun?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nur mit genau ansehen.« Ich zeigte auf meine Augen und klopfte mir an die Schläfe. »Und nachdenken.«
    Tempi nickte. Doch als ich mich den Toten zuwandte, spürte ich erneut seine Hand auf der Schulter. »Du musst fragen. Die Toten gehören mir.«
    »Du hast doch schon zugestimmt.«
    »Aber es gehört sich, zu fragen.«
    Ich holte tief Luft. »Darf ich mir deine Toten ansehen, Tempi?«
    |838| Er nickte würdevoll, genau einmal.
    Ich sah zu Marten hinüber, der unter einem benachbarten Baum sorgfältig seine Bogensehne prüfte. »Kannst du nach dem Weg suchen, den die Banditen gekommen sind?« Marten nickte und stieß sich von dem Baum ab. Ich zeigte nach Süden auf eine Senke zwischen zwei Anhöhen. »Ich würde da drüben anfangen.«
    »Ich weiß schon, was ich zu tun habe«, sagte Marten. Er schulterte seinen Bogen und ging.
    Tempi trat einige Schritte zurück, und ich wandte mich wieder den Leichen zu. Der eine Bandit war tatsächlich noch um einiges größer als Dedan, ein wahrer Hüne. Beide waren älter, als ich erwartet hatte, und hatten Schwielen an den Händen, die vom langjährigen Umgang mit Waffen herrührten. Demnach handelte es sich nicht um aufsässige Bauernburschen, sondern um altgediente Soldaten.
    »Ich habe ihre Spur«, sagte Marten leise, und ich schreckte hoch. Im Rauschen des Regens hatte ich ihn nicht kommen hören. »Sie ist deutlich zu erkennen. Ein betrunkener Priester könnte ihr folgen.« Ein Blitz zuckte über den Himmel und Donner krachte. Der Regen wurde stärker, und ich zog den durchnässten Mantel des Kesslers fester um die Schultern.
    Marten hob den Kopf und ließ sich ins Gesicht regnen. »Endlich nützt uns das Wetter auch einmal etwas«, sagte er. »Je mehr es regnet, desto leichter können wir uns dem Lager der Banditen unbemerkt nähern und auch wieder von dort verschwinden.« Er wischte sich die Hände an seinem tropfenden Hemd ab und hob die Schultern. »Nässer können wir ohnehin nicht werden.«
    »Da hast du recht«, sagte ich und stand auf.
    Tempi deckte die Leichen wieder mit den Ästen zu, dann gingen wir hinter Marten her in Richtung Süden.

    Marten kniete hin, um etwas auf dem Boden zu betrachten, und ich nutzte die Gelegenheit, zu ihm aufzuschließen.
    »Wir werden verfolgt«, sagte ich. Zu flüstern brauchte ich nicht. Unsere Verfolger waren noch mindestens dreißig Meter von uns entfernt, |839| und der Regen rauschte mit dem Lärm einer Brandung auf die Bäume nieder.
    Marten nickte und tat so, als betrachte er etwas angestrengt auf dem Boden. »Ich dachte, du hättest es noch nicht bemerkt.«
    Ich lächelte und wischte mir mit der Hand das Wasser aus dem Gesicht. »Du bist hier nicht der Einzige, der Augen hat. Wie viele schätzt du sind es?«
    »Zwei, vielleicht auch drei.«
    Tempi holte uns ein. »Zwei«, sagte er bestimmt.
    »Ich habe nur einen gesehen«, gab ich zu. »Wie nahe sind wir ihrem Lager?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht liegt es schon hinter dem nächsten Hügel. Oder wir sind noch einige Meilen davon entfernt. Wir haben nach wie vor nur die Spur der beiden Männer. Feuer rieche ich nicht.« Marten richtete sich auf und folgte wieder der Spur, ohne sich noch einmal umzublicken.
    Ich schob einen niedrigen Ast zur Seite, während Tempi an mir vorbeiging, und bemerkte aus den Augenwinkeln eine Bewegung hinter uns, die nichts mit Wind und Regen zu tun hatte. »Lass uns über die nächste Anhöhe gehen und ihnen eine Falle stellen.«
    Marten nickte. »Das sollten wir unbedingt.«
    Er bedeutete uns zu warten und schlich geduckt den Hang hinauf. Ich unterdrückte den Drang, mich umzusehen, während er über die Kuppe des Hügels spähte und dann auf der anderen Seite verschwand.
    Ein greller Blitz zuckte auf und schlug in unserer unmittelbaren Nähe ein. Der Donner traf mich wie eine Faust in die Brust. Ich erschrak. Tempi dagegen stand unbewegt neben mir.
    »Das ist wie zu Hause«, sagte er mit einem kaum

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