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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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wie du, mit längeren Armen als ich und auch stärker, aber langsam. Langsamer als du.« Dedans Miene verfinsterte sich. Er schien unschlüssig, ob er gekränkt sein sollte. »Der andere war kleiner und schneller. Beide hatten breite, dicke Schwerter. Doppelseitige Schwert, etwa so lang.« Er hielt die Hände ungefähr einen Meter auseinander.
    Die Beschreibung verriet mehr über Tempi als über die Männer, gegen die er gekämpft hatte. »Wo ist das Ganze passiert?«, fragte ich. »Und wann?«
    Tempi zeigte in die Richtung, in der wir gesucht hatten. »Weniger als eine Meile entfernt. Vor weniger als einer Stunde.«
    »Hattest du den Eindruck, sie haben auf dich gewartet?«
    »Als ich die Strecke gegangen bin, waren sie noch nicht da«, sagte Marten rasch und hustete wieder. Es war ein tief in der Brust sitzender, feuchter Husten. Er spuckte etwas auf den Boden. »Wenn sie dort gewartet haben, dann noch nicht lange.«
    Tempi zuckte vielsagend mit den Schultern.
    »Was haben sie als Rüstung getragen?«, fragte Dedan.
    Tempi schwieg einen Moment, dann klopfte er mit der Hand an meinen Stiefel. »Das?«
    »Leder?«, fragte ich.
    Er nickte. »Leder. Hart und mit Eisen verstärkt.«
    Dedans Anspannung ließ ein wenig nach. »Das ist doch wenigstens |835| etwas.« Er überlegte, hob ruckartig den Kopf und sah Hespe scharf an. »Was sollte dieser Blick eben?«
    »Ich habe dich nicht angesehen«, erwiderte Hespe kalt.
    »Doch. Und du hast die Augen verdreht.« Dedan sah Marten an. »Du hast es auch gesehen, nicht wahr?«
    »Haltet den Mund«, herrschte ich die beiden an, und zu meiner Überraschung verstummten sie. Ich drückte die Handballen an die Augen und dachte eine Weile konzentriert über unsere Lage nach. »Wie lange ist es noch hell, Marten?«
    Marten blickte zum schiefergrauen Himmel auf. »Es bleibt noch etwa anderthalb Stunden wie jetzt«, krächzte er. »Also hell genug, um Spuren zu lesen. Danach wird es vielleicht eine Viertelstunde lang immer dunkler. Hinter den Wolken geht die Sonne schnell unter.«
    »Habt ihr noch Kraft für einen kleinen Ausflug heute Abend?«, fragte ich.
    Zu meiner Überraschung grinste Marten. »Wenn wir die Spitzbuben heute noch finden können, nichts wie los. Ich laufe schon viel zu lange durch diesen gottverlassenen Wald.«
    Ich nickte, streckte die Hand aus und holte einige Krümel feuchter Asche aus unserem qualmenden und stinkenden Feuer. Nachdenklich zerrieb ich sie zwischen den Fingern und wischte sie auf einen Lappen, den ich in meinen Mantel steckte. Asche war keine gute Hitzequelle, aber besser als nichts.
    »Also gut«, sagte ich. »Tempi führt uns zu den Leichen, und dann versuchen wir, ihre Spur zum Lager der Banditen zurückzuverfolgen.« Ich stand auf.
    »Moment mal!«, rief Dedan und hob die Arme. »Und wir?«
    »Du und Hespe, ihr bleibt hier und bewacht unser Lager.« Fast hätte ich hinzugefügt:
und passt auf, dass das Feuer nicht ausgeht.
    »Warum? Lass uns doch alle gehen. Heute Nacht schnappen wir sie uns!« Er stand auf.
    »Und wenn sie zu zehnt oder zwölft sind?«, fragte ich in meinem schärfsten Tonfall.
    Er zögerte, lenkte aber nicht ein. »Wir haben das Überraschungsmoment auf unserer Seite.«
    |836| »Wenn wir zu fünft durch den Wald trampeln, nicht mehr«, erwiderte ich heftig.
    »Warum gehst du dann mit?«, fragte Dedan. »Es könnten doch auch nur Tempi und Marten gehen.«
    »Ich komme mit, weil ich wissen muss, mit wem wir es zu tun haben. Ich muss überlegen, wie wir ihnen am besten beikommen.«
    »Warum sollte ein Grünschnabel wie du dafür zuständig sein?«
    »Die Zeit drängt«, warf Marten ungeduldig ein.
    »Grundgütiger Tehlu, endlich eine vernünftige Stimme.« Ich wandte mich erneut an Dedan. »Wir gehen, und ihr bleibt. Das ist ein Befehl.«
    »Ein Befehl?«, wiederholte Dedan ungläubig.
    Wir starrten einander böse an, dann drehte ich mich um und folgte Tempi in den Wald. Am Himmel über uns donnerte es. Zwischen den Bäumen kam Wind auf und vertrieb das endlose Nieseln. Stattdessen begann es richtig zu regnen.

|837| Kapitel 90
Das Zeug zur Legende
    T empi hob die Kiefernäste hoch, mit denen er die beiden Männer zugedeckt hatte. Er hatte sie sorgsam auf den Rücken gebettet, so dass es aussah, als schliefen sie. Ich kniete mich neben den größeren der beiden, aber noch bevor ich ihn mir genauer ansehen konnte, spürte ich eine Hand auf der Schulter. Ich blickte auf und sah Tempi den Kopf schütteln.
    »Was ist?«, fragte ich.

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