Die Furcht des Weisen / Band 1
richtigen Frage nicht mal nahe«, sagte er, nahm mir weitere Gewänder ab und warf sie in den Kamin. Dann ergriff Elodin den Hebel der Rauchabzugsklappe und legte ihn mit metallischem Scheppern um. Große Rauchschwaden begannen in den Raum zu wabern. Elodin hustete, trat ein paar Schritte zurück und blickte sich mit zufriedener Miene um.
Mit einem Mal wurde mir klar, was hier vor sich ging. »Oh Gott«, sagte ich. »Wessen Gemächer sind denn das?«
Elodin nickte anerkennend. »Sehr gut. Ich hätte auch akzeptiert:
Wieso habt Ihr keinen Schlüssel für diese Gemächer
? oder
Was machen wir hier
?« Er sah mich ernst an. »Türen werden nicht ohne Grund abgeschlossen. Und Leute, die keinen Schlüssel haben, sollen aus gutem Grund draußen bleiben.«
|126| Er stupste mit der Schuhspitze gegen den schwelenden Kleiderhaufen, wie um sich zu vergewissern, dass er nicht aus dem Kamin rutschen würde. »Du weißt, dass du clever bist. Das ist deine große Schwäche. Du gehst davon aus, dass du weißt, worauf du dich einlässt, aber da irrst du dich.«
Elodin sah mich wieder an, und seine dunklen Augen blickten ernst. »Du glaubst, du könntest mir als Lehrer vertrauen«, sagte er. »Du glaubst, bei mir wärest du in Sicherheit. Aber das ist die schlimmste Art von Torheit.«
»Wessen Gemächer sind das?«, fragte ich noch einmal, wie benommen.
Er bleckte mit einem plötzlichen Grinsen die Zähne. »Meister Hemmes.«
»Und wieso verbrennt Ihr Meister Hemmes Gewänder?«, fragte ich und versuchte nicht darauf zu achten, dass sich der Raum zusehends mit bitterem Rauch füllte.
Elodin sah mich an, als wäre ich ein Vollidiot. »Weil ich ihn hasse wie die Pest.« Er nahm die Kristallkaraffe vom Kaminsims und schleuderte sie an die Rückwand der Feuerstätte, wo sie zerschellte. Von den Resten des Karaffeninhalts loderten die Flammen lichterloh auf. »Der Mann ist einfach nur eine dumme Sau. So redet man nicht mit mir.«
Rauchschwaden waberten weiter in den Raum hinein. Nur dank der hohen Decken blieb noch etwas Luft zum Atmen. Wir gingen zum Ausgang, und als Elodin die Tür öffnete, drang Rauch auf den Flur hinaus.
Wir blieben vor der Tür stehen und sahen einander an, während Rauchschwaden vorüberzogen. Ich beschloss, das Problem von einer anderen Seite aus anzugehen. »Ich verstehe Eure Zurückhaltung, Meister Elodin«, sagte ich. »Manchmal denke ich bestimmte Dinge nicht zu Ende.«
»Offensichtlich.«
»Und ich gebe zu, es hat Zeiten gegeben, da war mein Verhalten manchmal …« Ich hielt inne und suchte nach einem demütiger klingenden Wort als »unbedacht«.
»Von einer unfassbaren Dummheit geprägt?«, schlug Elodin vor.
|127| Da loderte mein Groll auf, und alle Demut war wie weggeblasen. »Na Gott sei Dank bin ich der Einzige hier, der je in seinem Leben eine falsche Entscheidung getroffen hat!«, sagte ich, konnte mich kaum zurückhalten, es zu brüllen. Ich sah ihm in die Augen. »Ich habe viele Geschichten über Euch gehört. Man erzählt sich, Ihr hättet damals auch ganz schön über die Stränge geschlagen, als Ihr hier studiert habt.«
Elodins belustigte Miene schwand ein wenig, und er sah fast aus, als wäre ihm etwas in der Kehle stecken geblieben.
Ich fuhr fort: »Wenn Ihr mich für zu leichtsinnig haltet, dann tut doch etwas dagegen! Führt mich auf den rechten Pfad! Formt meinen jugendlichen Verstand –« Ich hatte Rauch eingeatmet und begann zu husten, was mich zwang, meinen Appell abzukürzen. »Macht irgendwas, verdammt noch mal!«, brachte ich hervor. »Lehrt mich!«
Ich hatte gar nicht mehr geschrien, war aber dennoch außer Atem. Meine Wut schwand so schnell wieder, wie sie hochgekocht war, und ich fürchtete, nun zu weit gegangen zu sein.
Doch Elodin sah mich nur an. »Wie kommst du darauf, dass ich dich nicht lehre?«, fragte er verwirrt. »Von dem Umstand mal abgesehen, dass du dich weigerst, etwas zu lernen.«
Dann machte er kehrt und ging den Flur hinab. »An deiner Stelle würde ich schnell von hier verschwinden«, sagte er, sich noch einmal zu mir umsehend. »Die Leute werden wissen wollen, wer hinter dieser Sache steckt, und jeder weiß doch, dass Hemme und du nicht gut aufeinander zu sprechen seid.«
Ich spürte, wie ich in panischen Schweiß ausbrach. »Was?«
»Und vor der Prüfung würde ich mich auch noch mal gründlich waschen«, sagte er. »Es würde keinen guten Eindruck machen, wenn du dort nach Rauch riechst. Ich wohne hier«, sagte Elodin, zog einen Schlüssel
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