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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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stecken«, sagte ich. »Und Ihr wisst doch selber am besten, was …« Ich verstummte, mit trockener Kehle.
    Elodin starrte mich an, sein Gesicht kaum mehr als ein Schatten, aber ich spürte seinen finsteren Blick. »Was soll das heißen, Re’lar Kvothe? Gehst du etwa davon aus, du wüsstest, wie ich zum Refugium stehe?«
    Mein kunstvoll komponierter Appell fiel mir als Scherbenhaufen vor die Füße. Mit einem Mal kam ich mir vor, als wäre ich wieder auf den Straßen von Tarbean unterwegs, mein Magen vor Hunger zusammengekrampft, meine Brust von verzweifelter Hoffnungslosigkeit erfüllt, während ich Seeleute und Händler an den Ärmeln zupfte und sie um Pennys, Halbpennys, Scherflein anbettelte.
    |158| »Bitte«, sagte ich, »bitte, Meister Elodin, wenn man Jagd auf sie macht, wird sie sich verstecken, und ich werde nicht in der Lage sein, sie zu finden. Sie ist zwar nicht ganz richtig im Kopf, aber sie ist glücklich hier. Und ich kann mich um sie kümmern. Nicht ständig, aber doch ein bisschen. Wenn man sie einfangen würde, würde das alles nur noch schlimmer machen. Das Refugium wäre ihr sicherer Tod. Bitte, Meister Elodin, ich mache alles, was Ihr verlangt. Nur bitte sagt niemandem etwas davon.«
    »Pscht!«, erwiderte Elodin. »Sie kommt.« Er ergriff meine Schulter, und da erhellte der Mondschein sein Gesicht, und er blickte ganz und gar nicht böse oder streng, sondern nur verwirrt und besorgt. »Gütiger Himmel, du zitterst ja. Atme tief durch, und setz dein Bühnengesicht auf. Du machst ihr ja Angst, wenn sie dich so sieht.«
    Ich atmete tief durch und versuchte krampfhaft, mich zu entspannen. Elodins besorgter Ausdruck schwand, und er ließ meine Schulter los und trat wieder einen Schritt zurück.
    Auri kam mit vollen Armen über das Dach zu uns gehuscht. Sie blieb in einiger Entfernung stehen, beäugte uns beide und legte dann auch die restliche Strecke zurück, die Schritte so sorgfältig setzend wie eine Tänzerin. Dann ließ sie sich im Schneidersitz auf dem Dach nieder. Elodin und ich nahmen ebenfalls Platz, wenn auch längst nicht so anmutig.
    Auri entfaltete ein Tuch, breitete es zwischen uns aus und stellte einen großen Holzteller in die Mitte. Dann holte sie die Cinnasfrucht hervor und roch daran. »Was ist da drin?«, fragte sie Elodin.
    »Sonnenschein«, sagte er leichthin, als hätte er diese Frage erwartet. »Genauer gesagt: Frühmorgendlicher Sonnenschein.«
    Die beiden kannten sich. Natürlich. Deshalb war sie nicht weggelaufen, als er aufgetaucht war. Ich spürte, wie sich meine Anspannung ein wenig löste.
    Auri roch noch einmal an der Frucht und blickte einen Moment lang nachdenklich. »Sie ist schön«, sagte sie. »Aber Kvothes Sachen sind schöner.«
    »Das leuchtet ein«, sagte Elodin. »Kvothe ist ja sicherlich auch ein netterer Mensch als ich.«
    »Das versteht sich von selbst«, erwiderte sie.
    |159| Auri kredenzte uns ein Nachtmahl, brach das Brot und teilte den Fisch unter uns auf. Sie holte auch ein Tongefäß mit eingelegten Oliven hervor. Ich war froh zu sehen, dass sie offenbar auch ohne mich für sich sorgen konnte.
    Auri schenkte mir Bier in meine vertraute Teetasse aus Porzellan. Elodin bekam ein Gefäß, das nach einem Marmeladenglas aussah. Sie goss ihm etwas bei der ersten Runde ein, nicht aber bei der zweiten. Ich fragte mich, ob sie damit Missfallen zum Ausdruck bringen wollte.
    Wir aßen, ohne etwas zu sagen. Auri nahm winzige Bissen und saß kerzengerade. Elodin guckte immer wieder kurz zu mir herüber, als wüsste er nicht recht, wie er sich verhalten sollte. Ich schloss daraus, dass er bisher noch nicht mit ihr gegessen hatte.
    Als wir alles andere verspeist hatten, holte Auri ein Messerchen hervor und schnitt die Cinnasfrucht in drei Teile. Sobald sie die Schale der Frucht aufschnitt, roch ich den süßen, markanten Duft, und mir lief das Wasser im Munde zusammen. Cinnasfrüchte kamen von weither und waren viel zu teuer für Leute wie mich.
    Sie hielt mir mein Stück hin, und ich nahm es. »Herzlichen Dank, Auri.«
    »Herzlich gern, Kvothe.«
    Elodin sah zwischen uns beiden hin und her. »Auri?«
    Ich wartete darauf, dass er die Frage zu Ende formulierte.
    Auri verstand schneller als ich, was er damit meinte. »Das ist mein Name«, sagte sie und lächelte stolz.
    »Tatsächlich?«, erwiderte Elodin neugierig.
    Auri nickte. »Den habe ich von Kvothe bekommen.« Sie strahlte zu mir herüber. »Ist er nicht wunderbar?«
    Elodin nickte. »Ein sehr schöner

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