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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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mitgebracht?«
    Ich kniete mich hin und schnürte mein Bündel auf. »Ich habe dir drei Dinge mitgebracht«, sagte ich.
    »Wie traditionsbewusst«, sagte sie und grinste. »Du bist ja heute Abend ein richtiger kleiner Gentleman.«
    »Ja, das bin ich.« Ich hielt eine dunkle Flasche empor.
    Sie nahm sie mit beiden Händen entgegen. »Wer hat das gemacht?«
    »Bienen«, sagte ich. »Und eine Brauerei in Bredon.«
    Auri lächelte. »Drei B also«, sagte sie und stellte die Flasche zu ihren Füßen ab. Als Nächstes holte ich einen ofenfrischen, runden Laib Gerstenbrot hervor. Auri berührte ihn mit einer Fingerspitze und nickte anerkennend.
    Als Letztes kam ein ganzer Räucherlachs zum Vorschein. Der hatte mich vier Deut gekostet, aber ich machte mir Sorgen, dass Auri bei dem, was sie in meiner Abwesenheit irgendwo abstaubte, nicht genug Fleisch zu essen bekam. Es würde ihr guttun.
    Sie sah sich den Lachs neugierig an und neigte den Kopf, um in sein glotzendes Auge zu blicken. »Hallo, Fisch«, sagte sie. Dann sah sie wieder zu mir hoch. »Hat er ein Geheimnis?«
    Ich nickte. »Er hat statt einem Herz eine Harfe.«
    »Kein Wunder, dass er so erstaunt guckt.«
    Auri nahm mir den Fisch aus den Händen und legte ihn vorsichtig aufs Dach. »Steh jetzt auf. Ich habe auch drei Dinge für dich, wie sich das gehört.«
    Ich erhob mich, und sie hielt mir etwas entgegen, das in ein Stück Stoff eingewickelt war. Es war eine dicke Kerze, die nach Lavendel roch. »Was ist da drin?«, fragte ich.
    »Schöne Träume«, antwortete sie. »Die habe ich extra für dich da reingetan.«
    |154| Ich drehte die Kerze hin und her, und mir kam ein Verdacht. »Hast du die etwa selbst gemacht?«
    Sie nickte und lächelte begeistert. »Ja, habe ich. Ich bin nämlich unglaublich geschickt.«
    Ich steckte die Kerze vorsichtig in eine Tasche meines Umhangs. »Vielen Dank, Auri.«
    Sie wurde wieder ernst. »Und jetzt mach die Augen zu und bück dich, damit ich dir dein zweites Geschenk geben kann.«
    Verblüfft schloss ich die Augen und beugte mich vor, fragte mich, ob sie mir auch einen Hut gebastelt hatte.
    Ich spürte ihre Hände auf meinen Wangen, und dann hauchte sie mir einen zarten Kuss mitten auf die Stirn.
    Erstaunt schlug ich die Augen auf, doch da war sie schon einige Schritte weit zurückgewichen. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
    Auri trat wieder einen Schritt vor. »Du bist jemand ganz Besonderes für mich«, sagte sie in ernstem Ton und mit ernstem Gesichtsausdruck. »Und du sollst wissen, dass ich mich immer um dich kümmern werde.« Sie streckte vorsichtig eine Hand aus und strich mir über die Wange. »Das ist dein drittes Geschenk. Wenn es dir mal schlecht geht, kannst du immer zu mir ins Unterding kommen und da bleiben. Es ist schön da, und da bist du in Sicherheit.«
    »Danke, Auri«, sagte ich, sobald ich wieder ein Wort herausbekam. »Du bist auch jemand ganz Besonderes für mich.«
    »Natürlich bin ich das«, sagte sie ganz sachlich. »Ich bin so schön wie der Mond.«
    Ich sammelte mich wieder, und Auri hüpfte derweil zu einem Stück Metall, das aus einem Schornstein ragte, und nutzte es als Öffner für die Bierflasche. Dann kam sie wieder und hielt die Flasche vorsichtig in beiden Händen.
    »Auri«, sagte ich, »hast du gar keine kalten Füße?«
    Sie sah hinab. »Der Teer ist noch warm vom Sonnenschein«, sagte sie und bewegte die Zehen.
    »Hättest du nicht gern ein Paar Schuhe?«
    »Was wäre da drin?«, fragte sie.
    »Deine Füße«, sagte ich. »Es wird bald Winter.«
    Sie zuckte die Achseln.
    |155| »Dann wirst du kalte Füße haben.«
    »Im Winter komme ich nicht nach oben«, sagte sie. »Da ist es hier nicht schön.«
    Bevor ich etwas darauf erwidern konnte, trat Elodin hinter einem großen Schornstein hervor, so beiläufig, als würde er gerade einen Spaziergang unternehmen.
    Einen Moment lang starrten wir drei einander an, jeder auf seine Weise verblüfft. Im Augenwinkel sah ich, dass Auri reglos verharrte, wie ein Reh, kurz davor, Reißaus zu nehmen.
    »Meister Elodin«, sagte ich freundlich, in der verzweifelten Hoffnung, dass er nichts unternehmen würde, was Auri in die Flucht schlagen könnte. Als sie das letzte Mal in ihr unterirdisches Versteck geflohen war, hatte es eine ganze Spanne gedauert, bis sie wieder zum Vorschein kam. »Wie schön, Euch zu sehen.«
    »Hallo zusammen«, sagte Elodin und nahm meinen beiläufigen Tonfall auf, als wäre überhaupt nichts Ungewöhnliches dabei, dass wir drei

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