Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag
»Schön!«
Überraschenderweise errötete sie nun noch mehr und schüttelte den Kopf, ohne mich anzusehen. »Da sind wir nun nach all der Zeit?«, sagte sie und warf mir einen kurzen Blick zu. »Bei Schmeicheleien?«
Nun war es an mir, verlegen zu sein, und ich stammelte: »Ich … wollte damit nicht … Ich meine, ich würde doch …« Ich atmete tief durch und berührte sacht eine kunstvolle kleine Haarflechte, die halb unter ihrem übrigen Haar verborgen war. »Ich meinte das da«, sagte ich. »Es sieht nämlich fast so aus, als stünde da ›schön‹.«
Ihr Mund formte vor Überraschung ein kreisrundes »O«, und dann fuhr sie sich mit einer Hand peinlich berührt ins Haar. »Das kannst du lesen?«, fragte sie ungläubig und guckte leicht verwirrt. »Grundgütiger Tehlu, gibt es eigentlich irgendetwas, das du nicht weißt?«
»Ich lerne gerade Yllisch«, sagte ich. »Oder ich versuche es zumindest. Es besteht aus sechs Strähnen statt aus vier, aber es gleicht fast einem Geschichtenknoten, nicht wahr?«
»Fast?«, erwiderte sie. »Also bitte! Das habe ich nicht gehört!« Ihre Finger zupften an dem kurzen blauen Band am Ende der Haarflechte. »Selbst die Yller können heutzutage kaum noch Yllisch«, murmelte sie offenkundig gereizt vor sich hin.
»Ich bin nicht sehr gut darin«, sagte ich. »Ich kann erst ein paar Worte.«
»Und selbst die, die es sprechen, geben sich nicht mit diesen Knoten ab.« Sie sah mich böse von der Seite an. »Und außerdem liest man die Knoten mit den Fingern, nicht mit den Augen.«
»Ich musste mir das größtenteils mit Hilfe von Abbildungen in Büchern beibringen«, sagte ich.
Denna löste schließlich das blaue Band, die Haarflechte fiel auseinander, und dann glättete sie mit ihren flinken Fingern ihr Haar.
»Warum hast du das getan?«, fragte ich. »Vorher hat es mir besser gefallen.«
»Das war doch der Sinn der Übung.« Sie sah mich an und reckte stolz das Kinn vor, während sie sich das Haar ausschüttelte. »So. Was sagst du jetzt dazu?«
»Ich glaube, jetzt fürchte ich mich davor, dir noch weitere Komplimente zu machen«, sagte ich und wusste nicht recht, was ich eigentlich falsch gemacht hatte.
Ihre Gereiztheit legte sich. »Es war mir einfach nur peinlich. Ich hatte nicht erwartet, dass irgendjemand das lesen könnte. Wie würdest du dir vorkommen, wenn dich jemand sehen würde, wie du mit einem Schild rumläufst, auf dem steht: ›Ich bin ein toller Typ und sehe echt gut aus‹?«
Dem folgte Schweigen. Ehe es beklommen werden konnte, sagte ich: »Halte ich dich eigentlich gerade von irgendwas Dringendem ab?«
»Nur von Squire Strahota.« Sie deutete mit einer lässigen Geste in die Richtung, in die ihr Begleiter verschwunden war.
»Der war doch eher zudringlich als dringend, oder?«, fragte ich mit einem halben Lächeln und hob eine Augenbraue.
»Das sind alle Männer auf die eine oder andere Weise«, erwiderte sie mit gespielter Strenge.
»Dann halten sie sich also immer noch alle an ihr Buch?«
Nun blickte Denna wehmütig und seufzte. »Ich hatte ja mal gehofft, dass sie das Buch im Laufe der Jahre irgendwann einmal beiseitelegen würden. Doch stattdessen musste ich feststellen, dass sie immer nur neue Kapitel darin aufschlagen.«
Sie hob ihre Hand, an der zwei Ringe prangten. »Statt Rosen schenken sie einem jetzt Gold, und dann werden sie mit einem Schlag ausgesprochen dreist.«
»Na, wenigstens sind es vermögende Männer, die dich langweilen«, sagte ich tröstend.
»Ein gemeiner Kerl bleibt ein gemeiner Kerl, egal, ob er vermögend ist oder nicht.«
Ich legte ihr besänftigend eine Hand auf den Arm. »Du solltest diesen Männern ihr krämerhaftes Denken verzeihen. Diese armen, reichen Kerle sehen, dass du nicht einzufangen bist, und dann versuchen sie halt, etwas zu kaufen, obwohl sie wissen, dass es nicht käuflich ist.«
Denna applaudierte. »Ein Gnadenappell für die Gegner!«
»Wenn ich dich daran erinnern darf: Du bist doch selbst auch nicht darüber erhaben, Geschenke zu machen«, sagte ich. »Ich weiß das nur zu gut.«
Da blickte sie streng und schüttelte den Kopf. »Es ist ein großer Unterschied, ob man aus freien Stücken etwas verschenkt oder ein Geschenk bekommt, das einen im Grunde nur an einen Mann ketten soll.«
»Das ist wohl wahr«, räumte ich ein. »Aus Gold lässt sich ebenso gut eine Kette schmieden wie aus Eisen. Aber dennoch: Kann man es einem Mann wirklich zum Vorwurf machen, wenn er hofft, dich anständig
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