Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
Vom Netzwerk:
Jakis
    Universität (Zwei Meilen westlich von Imre)
    Belenay-Barren
    Zentrales Commonwealth
     
    Dann zahlte ich und ging zum Drover’s Lot. Einige Ecken vor diesem Platz zog ich meinen Shaed aus und verstaute ihn in meinem Reisesack. Ich ließ den Brief auf die Straße fallen und scharrte ein wenig mit der Schuhsohle darauf herum, ehe ich ihn wieder aufhob und abstaubte.
    Kurz vor dem Platz entdeckte ich das Letzte, was mir noch fehlte. »He!«, rief ich einem alten, backenbärtigen Mann zu, der an einer Mauer lehnte. »Ich gebe dir einen Halbpenny, wenn du mir mal kurz deinen Hut leihst.«
    Der Alte nahm das unansehnliche Ding ab und besah es sich. Der Kopf, der darunter zum Vorschein kam, war kahl und bleich. Er blinzelte in den spätnachmittäglichen Sonnenschein. »Meinen Hut?«, fragte er mit rauher Stimme. »Für einen ganzen Penny verkauf ich ihn dir, und du kriegst auch noch meinen Segen dazu.« Er lächelte hoffnungsfroh und hielt mir den Hut mit seiner schmalen, zitternden Hand entgegen.
    Er bekam seinen Penny. »Kannst du den mal kurz halten?«, bat ich und gab ihm den Brief. Dann schraubte ich mir das alte, labberige Ding mit beiden Händen auf den Kopf, bis über die Ohren. Mit Hilfe einer Schaufensterscheibe stellte ich sicher, dass mein rotes Haar komplett darunter verschwand.
    »Steht dir!«, sagte der Alte und hustete nicht gerade trocken. Ich nahm den Brief wieder an mich und betrachtete die schmierigen Fingerabdrücke, die er darauf hinterlassen hatte.
    Von dort waren es nur noch ein paar Schritte zum Drover’s Lot. Ich ging nun ein wenig gebeugt und kniff die Augen zusammen, während ich mich durch das Gedränge schob. Nach ein paar Minuten erhaschtemein Ohr den unverkennbaren Klang eines südvintischen Akzents, und ich ging zu einigen Männern, die Säcke von einem Wagen luden.
    »He«, sagte ich in dem gleichen Akzent. »Seid ihr nach Imre unterwegs?«
    Einer der Männer wuchtete seinen Sack auf die Ladefläche, klopfte sich die Hände ab und kam zu mir. »Ja, das sind wir. Willst du mitfahren?«, fragte er.
    Ich schüttelte den Kopf und zog den Brief aus meinem Reisesack. »Ich hab hier einen Brief, der dahin muss. Ich wollte ihn eigentlich selbst überbringen, aber jetzt legt mein Schiff doch erst morgen ab. Ich hab ihn in Gannery von einem Seemann übernommen, hab einen ganzen Doppel-Bit dafür bezahlt«, sagte ich. »Er hatte ihn von einem adligen Fräulein bekommen, für einen Bit.« Ich zwinkerte dem Mann zu. »Soll wohl eine sehr eilige Sendung sein.«
    »Einen Doppel-Bit hast du dafür bezahlt?«, fragte der Mann und schüttelte den Kopf. »Ganz schön dumm. So viel blecht doch kein Mensch für einen Brief.«
    »Hoho«, sagte ich und hob einen Zeigefinger. »Du hast ja noch gar nicht gesehen, an wen der Brief geht.« Ich hielt den Umschlag so, dass er die Anschrift lesen konnte.
    »Jakis?«, sagte er, und dann ging ihm sichtlich ein Licht auf. »Ist das etwa der Sohn von Baron Jakis?«
    Ich nickte selbstgefällig. »Ja, und zwar der älteste Sohn. Ein so reicher Junge wird ordentlich was hinlegen für einen Brief von seiner Liebsten. Da ist eventuell ein ganzer Nobel drin.«
    Er beäugte den Brief. »Könnte sein«, sagte er vorsichtig. »Aber schau mal, da steht bloß ›Universität‹, weiter nichts. Ich bin da oben schon gewesen, und der Ort ist nicht gerade klein.«
    »Der Sohn von Baron Jakis wohnt in keiner Bruchbude«, sagte ich leicht gereizt. »Frag einfach nach der teuersten Unterkunft, da wird er anzutreffen sein.«
    Der Mann nickte vor sich hin, und seine Hand bewegte sich schon unwillkürlich zu seinem Geldbeutel. »Ich denke schon, dass ich dir den abnehmen könnte«, sagte er widerwillig. »Aber höchstens für einen Doppel-Bit. Ich gehe damit ja sowieso schon ein ziemliches Risiko ein.«
    »Jetzt gib deinem Herzen mal einen Ruck!«, jammerte ich. »Ich habe diesen Brief achthundert Meilen weit befördert! Das muss doch irgendwas wert sein!«
    »Also gut«, sagte er und zog einige Münzen aus seinem Beutel. »Ich gebe dir drei Bits dafür.«
    »Ein halbes Rundstück würde ich nehmen«, grummelte ich.
    »Du nimmst drei Bits«, sagte er und streckte mir seine schmutzige Hand entgegen.
    Ich gab ihm den Brief. »Denk dran, ihm zu sagen, dass er von einer adligen Dame kommt«, sagte ich und wandte mich zum Gehen. »Das ist ein reicher Schnösel. Hol so viel aus ihm raus, wie du nur kannst, das rate ich dir.«
    Dann verließ ich den Platz, richtete mich wieder auf und nahm

Weitere Kostenlose Bücher