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Die Gabe der Amazonen

Die Gabe der Amazonen

Titel: Die Gabe der Amazonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kiesow
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wenigstens deine Spur verschwinden«, sagte Viburn erleichtert zu mir.
    In der folgenden Nacht teilten wir zum ersten Mal wieder Wachen ein.
     
     
     

 
     
    Der Gedanke, Yppolita könne eines frühen Todes sterben, erschreckte Wisset sehr, aber trotzdem ging ihr die Vorstellung bald nicht mehr aus dem Sinn. Sie malte sich aus, was alles geschehen könnte: ein Unfall beim Reiten, bei einem Waffengang, die Schwester könnte aus Versehen von einer vergifteten Speise kosten, die eigentlich gar nicht für sie bestimmt war. Das waren allesamt abscheuliche Vorstellungen, aber sie führten alle zu dem Ergebnis: Ulissa und nicht Yppolita würde den Thron erben.
    Da starb eines Morgens überraschend die Königin Gilia, und Yppolita wurde noch in derselben Stunde zur Herrscherin über das Amazonenreich ausgerufen ...
     
    Ein Ogerlager auszuspähen ist immer eine schwierige Angelegenheit. Du weißt nie, wer schneller ist, die Nase des Ungeheuers oder dein Auge. Aber was blieb uns übrig? Wir mußten herausfinden, mit wieviel Feinden wir es zu tun hatten, und darum war ich früh am Morgen mit Viburn aufgebrochen.
    Es regnete in Strömen, die Luft war seltsam lau und fast windstill. Von allen Ästen klatschte geschmolzener Schnee auf den Boden. Der Winter hatte sich noch einmal zurückgezogen. Wir platschten mit schweren Schritten durch den Schneematsch, der in gewaltigen Klumpen an unseren Stiefeln klebenblieb.
    Von allen Hängen strömten Sturzbäche in die Täler, oft standen wir bis zu den Knien im Wasser. Es kostete so viel Mühe, einen Weg zu suchen, daß wir kaum auf unsere Umgebung achten konnten. Immerhin erreichten wir das Tal, in dem ich die Spuren entdeckt hatte, ohne Zwischenfälle. Natürlich waren jetzt keine Abdrücke mehr zu sehen, aber wir schlugen die Richtung ein, in die auch die Fährte wies. Wir fanden einen leeren Proviantsack und wußten, daß wir auf dem richtigen Weg waren. Dann entdeckten wir eine eingestürzte Fallgrube. Goblins legen solche Fallen an, um größeres Wild darin zu fangen. Da die Grube eingestürzt war, hatten sie offenbar Erfolg gehabt.
    Nun konnte es nicht mehr weit sein bis zu der Stelle, an der die Meute ihr Nachtlager aufgeschlagen hatte. Wir marschierten in der alten Richtung weiter und stießen auf eine Lichtung.
    In der Mitte der Lichtung waren deutlich die Reste einer Feuerstelle zu sehen. Neben der Asche lag auf dem Boden eine dunkle, reglose Gestalt. Wir gingen vorsichtig hinter einem Gebüsch in Deckung.
    »Was hältst du davon?« flüsterte Viburn.
    »Keine Ahnung. Vielleicht sind die anderen noch in der Nähe, und der Bursche soll das Lager bewachen.«
    »Was gibt es da zu bewachen? Das bißchen Asche? Außerdem liegt er so merkwürdig da.«
    »Du meinst, er ist tot?«
    Viburn nickte.
    »Vielleicht haben sie ihn dorthin gelegt, um uns neugierig zu machen?«
    Wir warteten. Die Gestalt regte sich nicht. Abgesehen vom allgegenwärtigen Plätschern des Wassers war kein Laut zu hören. Viburn gab sich einen Ruck. »Jetzt sehe ich mir den Burschen an.«
    Ich folgte ihm.
    Neben der feuchten Asche lag ein toter Goblin. Am Hinterkopf hatte er eine häßliche Wunde, die von einem spitzen Ohr zum anderen klaffte. Sein Genick war gebrochen.
    Viburn tippte mit der Stiefelspitze gegen den Leichnam.
    »Anscheinend hat unser Freund, der Oger, sich über ihn geärgert. Wir wissen zwar immer noch nicht, wie viele Goblins zu der Meute gehören, aber immerhin können wir einen von der Zahl abziehen, das ist doch auch schon etwas.«
    Ich wandte mich ab, aber Viburn begann, den Leichnam zu durchsuchen. Das hielt ich für Zeitverschwendung: An dem Toten würde nichts zu finden sein. Leichenfledderei ist eine Leidenschaft der Goblins, bei Freund und Feind machen sie keine Unterschiede.
    »Er ist sehr groß für einen Goblin«, murmelte Viburn. »Ein stattlicher Bursche. Einen guten Helm muß er besessen haben und möglicherweise sogar eine Rüstung, sonst läge er hier nicht in diesen lächerlichen Unterkleidern, und die anderen hätten sich nicht die Mühe gemacht, seinen Helm wegzuschleppen.«
    Viburn wälzte den Toten auf den Rücken. »Er ist noch nicht steif, kann noch nicht lange tot sein ... Was haben wir denn da?« Der Streuner griff nach einem flachen Beutel, der um den Hals des Goblins hing, und riß den Riemen durch.
    In dem Beutel steckte eine handtellergroße Schieferplatte, die in der Mitte zersprungen war. Viburn hielt die Hälften aneinander und musterte sie sorgfältig.

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