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Die Gabe der Amazonen

Die Gabe der Amazonen

Titel: Die Gabe der Amazonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kiesow
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Göttin zu gewinnen«, erklärte Elgor. »Und ich denke, sie ist sehr froh darüber, daß sie ihre alten, finsteren Gedanken nun nicht weiter zu verfolgen braucht. Gewiß ist die wackere Junivera längst nicht so hart, wie sie sich gibt. Sie versucht, nach den Büchern zu leben und hat noch nicht verstanden, daß die echten Menschen sich von denen in den Legenden unterscheiden. Wie die heilige Thalionmel sucht sie nach einer Brücke, auf der sie ihr Leben der Göttin opfern kann, im Kampf gegen die geifernden Horden des Bösen. Ich denke manchmal, für sie gibt es nur Thalionmels und blutsaufende Novadis – und nichts dazwischen ...«
    »Wer ist die heilige Thalionmel?« fragte ich.
    Elgor blickte überrascht auf – er schien sich kaum vorstellen zu können, daß jemand diesen Namen noch nicht gehört hatte. Einen Moment lang sann er darüber nach, ob er mich ins Bild setzen sollte, doch dann kehrte er zu Junivera zurück: »Nun, wie dem auch sei – wenn ihr Mädchens Bekehrung gelingt, hat sie gute Aussichten, in der Gnade Rondras weiter aufzusteigen. Eine Bekehrung dient ihr viel mehr, als wenn sie der Göttin einen im Kampf erschlagenen Gegner weiht. So lehrt es jedenfalls die Kirche.«
    »Unser Freund Arve hat bisher immer einen großen Bogen um alle Tempel und Priester gemacht«, sagte Viburn grinsend. »Ich glaube manchmal, er ist ein gottloser Gesell.«
    Bevor ich etwas erwidern konnte, kehrten beide Frauen in die Höhle zurück. Mädchens Wangen glühten, ihre kurzen Haare standen wild vom Kopf ab.
    Junivera ließ sich erschöpft neben dem Feuer auf den Boden sinken. »Die Hexe ficht wie ein Thorwalpirat«, schnaufte sie. »So etwas habe ich noch nicht erlebt.« Sie deutete auf ihre Stirn, auf der eine kleine, wohlgeformte Beule zu sehen war. »Hätten wir echte Schwerter benutzt, so müßtet ihr den Rest eurer Reise ohne Rondras Beistand zurücklegen.«
    »Es tut mir leid«, murmelte Mädchen kleinlaut.
    Junivera schnitt eine Grimasse: »Na warte, morgen werde ich dich durchwalken, daß dir Hören und Sehen vergeht!«
     
    Auch Viburn ließ es sich nicht nehmen, unserem wißbegierigen Gast einige genauere Kenntnisse zu vermitteln. Dazu nahm er Mädchen auf lange Spaziergänge mit, die manchmal fast einen halben Tag dauerten.
    »Ich lehre sie Dinge, die ihr keiner von euch so gut beibringen kann wie ich«, sagte er einmal beim Weggehen zu mir. Was Mädchen von Viburn lernte, konnte ich von ihr nicht erfahren. Als ich sie danach fragte, sah sie mir mit kindlichem Ernst in die Augen. »Das sind Streu-ner-ge-heim-nis-se.« Wie alle neu gelernten Ausdrücke sprach sie das Wort sehr sorgfältig aus. »Nur Streuner wie Viburn und ich dürfen davon wissen.«
    »Wenn du neuerdings ein Streuner bist, dann bin ich auch einer«, sagte ich.
    »Viburn sagt, du bist ein Halbelf.«
    »Man kann sehr wohl ein Halbelf und gleichzeitig ein Streuner sein.«
    »Viburn sagt, nein. Er hat mir auch gesagt, daß du so zu mir sprechen würdest, und mich gewarnt. Wenn man ein Streunergeheimnis verrät, dann ist man unwürdig, ein Streuner zu sein.« Mehr war aus Mädchen nicht herauszubekommen.
    Ich kann nicht sagen, daß es mir gefiel, wenn sich Viburn unserem Findelkind so sehr widmete. In den wenigen Tagen, die Mädchen nun bei uns war, hatten wir uns alle sehr rasch an sie gewöhnt. Eine seltsame Vertrautheit war zwischen uns entstanden, und ich muß bekennen, daß ich sie in den wenigen Tagen sehr liebgewonnen hatte. Es war etwas an ihr, das ich unwillkürlich mit der Sonne in Verbindung brachte – nicht mit jener sengenden Strenge, die die Menschen fürchten und die im Götterfürsten Praios Gestalt angenommen hat, sondern mit den milden Strahlen der Frühlingssonne, die allen Lebewesen tief ins Gemüt dringt und sie mit Wärme und Heiterkeit erfüllt. Wann immer Mädchen in die Höhle trat, brachte sie eine Fröhlichkeit mit sich, die uns den grimmen Winter, unseren gefährlichen Auftrag und die Sorge um Larix' Zustand zeitweilig vergessen ließ. Diese wärmende Heiterkeit vermißte ich schmerzlich, wenn Viburn Mädchen wieder einmal zu einem jener langen Spaziergänge entführt hatte.
    Einmal beschrieb ich Elgor meine Gefühle während Mädchens Abwesenheit. Er erwiderte, ihm erginge es ähnlich, nur würde er für sich selbst nicht so ein elfisches Brimborium um seinen Ärger machen. »Ich bin ganz einfach eifersüchtig«, sagte er, »und ich gönne diesem Halunken die hübsche Kleine nicht – das ist alles!«
     
    Am

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