Die Gabe der Amazonen
Salzarele beginnt am Kopf zu stinken.‹ Ja, ja, so ist es wohl!«
»Du hast recht«, stimmte Larix ihm zu, »wir leben in schlimmen Zeiten. Doch vielleicht wird nun manches besser, jetzt, wo dieser junge Reto die beiden Popanze davongejagt hat. Ich hörte, ganz Gareth sei in Aufruhr. Man traut dem Jungen zu, daß er das unterste zu oberst kehrt. All die feisten Hofschranzen zittern um ihre Pfründe ...«
Während die beiden miteinander gesprochen hatten, war der Krieger aufgestanden und hatte das Schwert in der Scheide gelockert. Angestrengt spähte er auf die Straße hinaus. Jetzt konnte man schon deutlich das Klappern der Pferdehufe und den mahlenden Ton der Karrenräder unterscheiden. Vorsichtig schlichen wir zum Straßenrand und legten uns unter ein paar jungen Fichten auf den Bauch.
»Es kann auch ein anderer Wagen sein«, murmelte Larix, aber er schien seinen eigenen Worten nicht zu trauen.
Das Fuhrwerk polterte um die Biegung herum. Auf Elgors Zeichen sprangen wir vor und traten auf die Straße hinaus. Die Pferde wieherten erschreckt und blieben stehen. Oben auf dem Bock wurde Bauer Harme blaß wie die weißen Felsen von Prem.
»Oh, holla!« stammelte er, »meine Freunde ... Ihr seid noch nicht weit gekommen ... Ich dachte gar nicht, daß Ihr die Straße nehmt.« Junivera trat einen Schritt nach vorn und griff den Pferden in die Zügel. »Du wirst auch nicht mehr weit kommen, Bauer! Nie mehr!«
»Aber, was soll ...? Ich will nach Beilunk ... zum Markt.«
»Mit leerem Karren?« Larix kletterte zu Harme auf den Bock. Der Bauer wich langsam zurück. »Saatgut ...«, keuchte er verzweifelt. »Saat-gut ... Ich muß Saatgut kaufen, so glaubt mir doch!«
»Zeig uns dein Geld!« Elgor hielt ihm die offene Hand entgegen.
»Ich ... ich ... habe Kredit.«
»Herunter mit dir!«
Schlotternd vor Furcht kletterte Harme zu uns herab, und warf sich vor Elgor auf die Knie. Junivera ließ die Pferde los und riß den jammernden Bauern hoch.
»Wir glauben, daß du in Beilunk etwas verkaufen willst, obwohl du mit leerem Wagen fährst!« donnerte sie.
Sofort lag Harme wieder auf dem Pflaster.
»Gnade!« flehte er, auf dem Bauch kriechend. »So habt doch Erbarmen! Wenn Ihr mich tötet, so müssen meine Frau und die Buben verhungern.«
»Ach, reiß dich zusammen, Kerl!« brüllte Larix vom Bock herab. »Wie habe ich mich in dir getäuscht! Ingerimms Hammer soll deinen geldgierigen Schädel zerschmettern!«
Um seine Worte zu unterstreichen, schlug der Zwerg mit der flachen Hand klatschend auf das Sitzbrett.
Die Pferde schnaubten, stiegen hoch und zogen plötzlich an. Junivera und Elgor warfen sich zur Seite, Larix wäre fast hintenüber vom Bock gekippt. Er schwankte hin und her, klammerte sich mit einer Hand an den Sitz und tastete mit der anderen nach den herabgefallenen Zügeln. Als er sie endlich zu fassen bekam und lauthals »Brrr, Brrr!« rufend – die Pferde zum Stehen brachte, war der Wagen schon fast hinter der Kurve verschwunden.
Auf den klobigen Pflastersteinen lag Harme und starrte hinauf in die ziehenden Wolken. Ein Karrenrad hatte ihm den rechten Arm zerquetscht, ein zweites war über seinen Hals hinweggerollt.
Wir trugen ihn in den Wald, schichteten einen Haufen aus Steinen über ihm auf und banden aus einem gebogenen Nußstecken und ein paar kurzen Zweigen ein Boronsrad zusammen.
Junivera saß vorn neben Larix auf dem Bock, ich kauerte auf der Ladefläche und dachte darüber nach, ob ich mein Hinterteil weiter den Knüffen und Stößen des holprigen Pflasters aussetzen oder lieber abspringen sollte, um so wie Mädchen und Elgor neben dem Karren herzumarschieren.
Unsere Waffen und Rüstungen versteckten wir unter leeren Säcken auf dem Wagen. Mädchen hatte sich unter Tränen von ihrem auffälligen schwarzen Umhang getrennt. Es war uns nicht leichtgefallen, ihr verständlich zu machen, daß eine Bäuerin niemals einen schwarzen, am Saum mit winzigen goldenen Löwinnen bestickten Mantel trägt. Mädchen konnte nämlich nicht begreifen, warum wir unbedingt als Bauern gelten und all unsere blinkenden Waffen verstecken wollten. Sie sprang immer wieder zum Wagen hin, zupfte die Säcke zur Seite und warf einen langen Blick auf ihren Schatz. Dann war sie für eine Weile beruhigt.
Eigentlich hatte ich mir irgendwann, als wir an den Trollzacken entlangkraxelten, geschworen, mir von meinem Anteil an Viburns Lohn ein Pferd und vielleicht sogar einen kleinen Wagen zu kaufen, weil ich im Leben nie mehr
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