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Die Gabe der Amazonen

Die Gabe der Amazonen

Titel: Die Gabe der Amazonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kiesow
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verwechseln!«
    »Mit welcher anderen?« fragte Elgor.
    »Als ich zuletzt in Beilunk war – das ist jetzt allerdings eine Weile her –, hieß es, Ulissa habe ein Kopfgeld auf eine Reisegruppe von der Westküste ausgesetzt.«
    »Wer ist Ulissa?« – »Was für eine Gruppe?« fragten Elgor und ich fast gleichzeitig.
    Harme lachte und nahm einen tiefen Zug aus seinem Becher.
    »Na, Ihr scheint ja neugierig zu sein ... Wer ist Ulissa?« Er sah Elgor aus großen Augen an. »Die Königin der Amazonen natürlich! Großartige Amazonenforscher seid Ihr!« Jetzt wandte er sich mir zu: »Sie suchen eine Gruppe von fünf Personen – genau wie die Eure.« Er legte mir beschwichtigend die Hand auf den Arm. »Nein, nein, erschreckt nicht! Sie suchen vier Männer und eine Frau – und nicht zwei Frauen und drei Männer. Allerdings, ein Zwerg und ein Elf sind auch in der anderen Gruppe.«
    »Ich bin ein Halbelf«, erklärte ich.
    »Laßt gut sein«, brummelte Harme vergnügt. »Selbst wenn sie hinter Euch her wären, ich würde Euch niemals verraten, nach dem, was Ihr heute für mich getan habt.«
    »Was zahlen sie denn?« fragte Larix.
    »Wie meint Ihr? Oh, zweihundert Dukaten, glaube ich.«
    »Eine Menge Geld.«
    »Ich will es mir jedenfalls nicht verdienen.« Harme warf einen Blick in die Runde. »Habt Ihr noch Bier?« Er schenkte nach. »Nein, war das ein Kampf! Besonders die Kleine, nein, die Große, na, die, die Ihr ›Mädchen‹ nennt! Mir hat der arme Schurke fast leid getan.« Harme sah sich suchend um. »Wo steckt denn Eure Fechtmeisterin?«
    Mädchen hatte sich nicht an unserem Gespräch beteiligt. Fast den ganzen Abend lang war sie im Zimmer auf und ab gegangen und betrachtete alles, was es dort zu sehen gab. Prüfend hatte sie Töpfe und Pfannen in den Händen gedreht und mit einem schweren Messer, von der Bäuerin mißbilligend beobachtet, eine Kerbe in den Tisch geschnitzt. Sie hatte Zucker, Salz und Essig probiert und hätte fast in einen Bimsstein gebissen, wenn die Bäuerin ihn ihr nicht abgenommen hätte.
    Aber jetzt war Mädchen verschwunden, und der ältere der beiden Söhne fehlte ebenfalls.
    »Alko zeigt ihr unseren Stall«, erklärte die Bäuerin.
    Harme holte einen zweiten Krug Bier, und wir plauderten über die Ernte und über die gefährlichen Zeiten.
    Als Mädchen wieder zur Tür hereinkam, hatte sie Stroh im Haar und Alko einen roten Kopf. Er setzte sich zu seinem Bruder und begann, mit ihm zu flüstern. Daraufhin zeigte er zur Haustür. Die beiden standen auf und gingen hinaus.
    Wir hörten, wie sie vor der Haustür miteinander sprachen. Alkos leise Stimme wurde immer wieder von Arls überraschten Ausrufen unterbrochen. Mädchen setzte sich zu uns an den Tisch, probierte einen Schluck Bier und spuckte ihn wieder aus.
     
    Als die Schlafenszeit gekommen war, bestanden die Bauersleute darauf, daß wir ihre Betten benutzten. Sie wollten im Stall übernachten. Da ihnen ihr freundliches Angebot nicht auszureden war, nahmen wir es schließlich an. Junivera und Mädchen bezogen die Betten der Eltern. Elgor, Larix und mir waren die zwei Betten der Söhne zugedacht. Für mich hätte das bedeutet, entweder mit dem Hünen Elgor oder mit Larix, dem Schnarcher, das Bett teilen zu müssen. Beide Möglichkeiten gefielen mir nicht.
    Ich zog es vor, auf dem Fell vor dem Kamin in der Wohnstube zu übernachten. Nach dem harten Tag, der hinter uns lag, fiel ich schnell in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
    Mitten in der Nacht hörte ich ein Geräusch. Mädchen stand im dunklen Zimmer, sie war gegen einen Stuhl gelaufen.
    »Mädchen, wo willst du hin?«
    Sie schrak zusammen. »Ach, du bist es, Arve. Ich ... ich will Alko besuchen.«
    »Aber der schläft doch bestimmt.«
    »Ich werde ihn wecken.«
    »Mädchen, komm einmal her!«
    Sie kauerte sich neben mich auf die Fersen.
    »Ich weiß nicht, ob es gut ist, wenn du Alko besuchst.«
    »Warum nicht? Er ist ein Streuner wie Viburn. Er kennt fast alle seine Geheimnisse. Vorhin, in der Scheune, da hat er sie mir gezeigt.«
    Mir ging ein Licht auf. Ich dachte an meinen toten Freund. Viburn hatte viele Vorzüge gehabt. Eine feste Moral hatte nie dazu gehört und ganz gewiß nicht das Bedürfnis, irgend jemandem eine solche zu vermitteln. Ich schob eine Hand unter Mädchens Fellkleid, ertastete eine kleine, feste Brust und streichelte sie sanft. »Ist das ein Streunergeheimnis?«
    Die Glut des niedergebrannten Feuers tauchte Mädchens Gesicht in ein rotes, geheimnisvolles Licht.

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