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Die Gabe der Amazonen

Die Gabe der Amazonen

Titel: Die Gabe der Amazonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kiesow
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in dieser Hütte.«
    »Also gut.« Junivera schnallte ihren Säbelgurt um. »Verschieben wir die Sache bis zur nächsten Rast. Rondra wird mir vergeben, wenn ich euch alle nicht wegen einer anmaßenden Wilden gefährden will. Dir bleiben noch ein paar Stunden Zeit, du Elende! Genieße sie!«
    Ich habe nie erfahren, ob der Zwerg tatsächlich Reiter gehört, oder ob er sie nur erfunden hatte, um den Streit einstweilen zu beenden. Wir marschierten jedenfalls tiefer in die Beilunker Berge hinein, so eilig, als wäre uns tatsächlich die gesamte Kavallerie der Stadt auf den Fersen. Nachdem wir durch ein geröllbedecktes, unwegsames Tal gekraxelt waren und uns einen Weg über einen mit Blaudorn bewachsenen Hügel gebahnt hatten, waren wir auf einen kleinen Bach gestoßen. Dort hatten wir, nachdem wir die beiden Frauen zur Friedfertigkeit verpflichtet hatten, eine kurze Frühstückspause eingelegt.
    »Ich kann bis zum Abend warten«, hatte Junivera gesagt, »bis zum Abend, das ist mein letztes Zugeständnis.«
    Wir folgten dem Bachlauf gegen die Fließrichtung, hinein in ein enges, düsteres Tal. Dort suchten wir uns einen Weg zwischen seltsamen schwarzen Baumgestalten, knorrig verkrüppelt und mit fransigen Flechten behangen. Das Bächlein schien das einzig Lebendige in dieser Landschaft zu sein. Kein Vogel war zu sehen, kein Marder, keine Maus. Beim Anblick der Pflanzen konnte ich mir kaum vorstellen, daß aus ihnen jemals wieder grüne Blätter sprießen würden. Auf dem Boden stand trockener Farn, es gab kaum Unterholz, und so kamen wir gut voran.
    Viburn schloß zu mir auf. »Wir müssen etwas tun«, sagte ich zu ihm. »Wegen Junivera und Mädchen, meine ich ...«
    »Was schlägst du vor?«
    »Das wollte ich dich fragen.« Ich zögerte. »Vielleicht kannst du mal mit Mädchen reden. Sie bitten, daß sie sich bei Junivera entschuldigt. Mädchen hält große Stücke auf dich.«
    Viburn lächelte matt. »Sie hört nicht mehr auf mich. In der letzten Zeit hat sie sich sehr verändert.«
    »Aber was willst du tun?« Ich zog ihn an der Schulter zu mir herum. »Sie gegeneinander kämpfen lassen? Das kannst du nicht ernsthaft im Sinn haben.«
    Viburn antwortete nicht.
    »Mädchen ist im Unrecht«, fuhr ich fort. »Sie kann Junivera nicht verzeihen, daß sie vor dem Brunnenungeheuer geflüchtet ist. Aber jeder von uns kann schwach werden. Mädchens Erwartungen sind unmenschlich oder meinetwegen übermenschlich. Das mußt du ihr klarmachen. Dann werden wir auch diesen Streit aus der Welt schaffen können.«
    Der Streuner schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, du irrst dich, Arve. Vielleicht könnte ich Mädchen begreiflich machen, daß sie zuviel verlangt, aber damit wäre nicht viel gewonnen. Mag sein, daß Mädchen sogar den Vorfall im Brunnenraum vergessen kann. Junivera aber wird sich ihre Schwäche niemals verzeihen. Und jedesmal, wenn sie Mädchen ansieht, wird sie daran erinnert.«
    »Denkst du, das allein ist der Grund für Juniveras Haß? Mädchen hat sie zweimal gekränkt ...«
    Viburn winkte ab. »Damit würde Junivera fertig werden. Nein, es ist so, wie ich es sage. Ich kann sie sogar verstehen. Du weißt, ihre Göttin schreibt ihr vor, niemals eine Herausforderung auszuschlagen. Der Angriff dieses, dieses ... Urwanstes war natürlich eine klare Herausforderung – und die Geweihte ist vor ihm geflohen. Das wird ihr bis ans Lebensende zu schaffen machen.«
    »Ist es nicht seltsam«, fragte ich, »daß sie es mit der Angst zu tun bekommen hat wie ein ganz gewöhnlicher Mensch? Du hättest sie sehen sollen, wie sie diesem Oger gegenübergetreten ist ... Auf der ganzen Reise hatte ich nie daran gezweifelt, daß sie eine überdurchschnittlich mutige Frau ist.«
    »Das ist sie auch. Und ich bin sicher, sie würde vor keinem Gegner davonlaufen, der auf zwei Beinen geht und eine Waffe in der Faust hält, mag er auch der Schwertmeister von ganz Aventurien sein. Aber, sieh mal, Junivera ist noch jung. Einen Urwanst hat sie in der Waffenschule nicht gesehen, sie hat keine Ahnung, was für Kreaturen in den dunklen Klüften unserer Welt hausen. Auf diese fette Widerwärtigkeit war sie einfach nicht vorbereitet und auch nicht auf jene unbezwingbare Angst, die alles vollkommen Fremde in uns auslöst.«
    Ich schaute zurück zu Junivera, die am Ende unseres kleinen Zuges ging, und nach vorn zu Mädchen, die ihn Seite an Seite mit Larix anführte. »Es muß doch irgendeine Möglichkeit geben, wie wir den Streit schlichten

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