Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition)
Ich schaute besorgt zum Horizont, blickte in den Nachthimmel, wo Wolken sich zu verdächtigen dunklen Ungetümen
aufschichteten...
Aber da draußen war nichts zu sehen.
Nichts außer trügerischen Schatten und Finsternis. Wir erreichten Barnstable Manor, stiegen aus dem Wagen und dann die sechs Stufen des breiten Portals empor. Es ist windstill! registrierte ich. Während Tom mit einem der eisernen Ringe heftig klopfte, wandte ich den Blick in Richtung des Sees.
Dort ist es geschehen! dachte ich. Jarmilas Tod. Oder das, was man dafür gehalten hatte. Vielleicht lag darin die Ursache allen Übels.
Walter, der Butler mit dem maskenhaften Gesicht, öffnete uns. Er wirkte erstaunt und zog eine seiner relativ dünnen Augenbrauen wie ein Fragezeichen in die Höhe.
"Mir scheint, daß Lord Barnstable Ihnen sehr deutlich zu verstehen gegeben hat, daß er weder jetzt noch in Zukunft weiteren Kontakt mit Ihnen beiden wünscht", erklärte er auf seine gewohnt distinguierte Art und Weise.
"Er wird seine Meinung ändern", sage ich voller Selbstbewußtsein.
"Das glaube ich nicht."
"Lassen Sie uns durch!" forderte Tom. Er schob den Butler einfach zur Seite, nahm mich bei der Hand und zog mich mit sich. Gemeinsam gingen wir den langen Flur entlang, während der Butler lauthals protestierte.
Wir erreichten den Salon.
Der Butler folgte uns.
Sir Wilfried Barnstable, seine Gemahlin Lady Margret und ihre Tochter Helen saßen beim Diner. Alle drei erstarrten mitten in der Bewegung. Auf Sir Wilfrieds Stirn bildeten sich tiefe Furchen. Der Ärger war ihm überdeutlich anzusehen.
"Was fällt Ihnen ein, hier hereinzuplatzen!" ereiferte er sich.
Der Butler hob schuldbewußt die Schultern.
"Tut mir leid, Sir! Aber die beiden sind einfach hier eingedrungen!"
Sir Wilfried sprang auf. In seinen Augen funkelte es.
"Das Maß ist überschritten! Bei allem Respekt vor Ihrem Anliegen, das Schicksal Ihres vermißten Kollegen aufzuklären
- dies geht nun doch entschieden zu weit! Walter, rufen Sie die Polizei!"
"Halt!" sagte Tom. Er wandte sich an Sir Wilfried. "Sie sollten sich anhören, weshalb wir hier sind", forderte er dann. Er wirkte sehr ruhig und sachlich dabei. Sir Wilfried atmete tief durch.
Die hochrote Farbe, die sein Gesicht innerhalb der letzten Sekunden angenommen hatte, milderte sich wieder etwas ab.
"Was könnte das schon sein", sagte er mit höhnischem Unterton.
Jetzt ergriff ich das Wort.
"Wir möchten mit Ihnen über Jarmila sprechen." Meine Worte trafen ihn ins Mark. Ein Muskel zuckte in seinem Gesicht. Er schien sich unschlüssig darüber zu sein, wie er sich jetzt verhalten sollte.
Sir Wilfried wandte einen kurzen, hilfesuchenden Blick an seine Frau, aber deren Gesichtsausdruck wirkte nicht weniger ratlos als der seine.
"Jarmila?" echote Helen.
"Sie ist die Frau auf den Bildern, die wir Ihnen gezeigt haben!" stellte ich fest. "Und sie hat etwas mit dem Verschwinden unseres Kollegen zu tun!"
"Jarmila ist tot!" erwiderte Sir Wilfried düster.
"Ist das auch Ihre Meinung, Helen?" fragte ich an die junge Frau gewandt. Helen schluckte. Sie schluchzte dann plötzlich auf. Ihre Mutter legte den Arm um sie.
"Gehen Sie!" forderte Sir Wilfried.
"Nein", erwiderte ich. "So leicht werden Sie uns diesmal nicht los!"
"Mit welchem Recht..."
"Wir wissen, daß eine grausame, übersinnliche Macht hier ihr Unwesen treibt... Ganz gleich, ob man sie nun als die legendäre Sturmhexe bezeichnet oder ihr einen anderen Namen gibt! Ich kann diese Macht spüren. Hier, jetzt, in diesem Augenblick! Und ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie nicht gerne endlich frei wären von ihrem unheimlichen Einfluß!"
"Von wem sprechen Sie?" fragte Sir Wilfried schwach.
"Das wissen Sie!"
"Ach, hören Sie auf!"
"Ich spreche von Jarmila, Sir Wilfried!" Schweigen herrschte einige Augenblicke im Raum. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Mit schreckgeweiteten Augen blickte Helen mich an.
Ich erwiderte ihren Blick.
"Wir wollen Ihnen helfen", sagte ich.
"Können Sie das denn?" fragte Helen. "Können Sie etwas gegen sie ausrichten?"
"Vielleicht..."
"Sie lügt!" schnitt Sir Wilfried mir das Wort ab. "Sie weiß
nichts, und sie kann diesen grausamen Spuk auch nicht beenden! Sie ist nur eine Journalistin, auf der Suche nach einer Story. Unser Schicksal ist ihr gleich..."
"Es geht um unseren Kollegen!" gab ich zu bedenken.
"Dessen Schicksal ist längst besiegelt!" brummte Sir Wilfried düster.
Indessen war der Butler zum Telefon
Weitere Kostenlose Bücher