Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition)
erkennen zu können.
"Jim!" schrie ich aus vollem Hals. "Jim!"
*
Es war eine Bewußtlosigkeit wie nach einem Hammerschlag gewesen.
Tom erwachte durch dumpfes Donnergrollen. Er spürte einen kühlen Luftzug durch ein
zersprungenes Fenster hereinwehen. Er stand auf und sah sich um. Das Unwetter schien verebbt zu sein. Es war noch immer finstere Nacht.
Er blickte sich um.
"Patti!" flüsterte er.
Aber er sah nirgends auch nur eine Spur von Patricia. Am Boden fand er die reglos daliegenden Körper der Barnstables. Sir Wilfried kam langsam zu sich.
"Was ist geschehen?" fragte er, sichtlich verwirrt. Tom ging zum Fenster und blickte hinaus. Draußen toste noch immer das Unwetter. Gewaltige Blitze zuckten. Der Donner grollte auf geradezu ohrenbetäubende Weise. Immerhin regnete es nicht.
Der heulende Wind ließ eine weitere Dachpfanne hinunter fallen. Am Boden zersprang sie mit einem kurzen, harten Geräusch. Tom versuchte sich zu erinnern, was geschehen war. Irgendeine Kraft hatte sie alle außer Gefecht gesetzt. Und Patti?
Tom sah angestrengt in das Unwetter hinaus. Für einen kurzen Moment glaubte er dort draußen, zwischen den dunklen Schatten, etwas zu sehen. Eine Gestalt... Nichts weiter, als ein vager Umriß, der sich einen Sekundenbruchteil später wieder mit der Finsternis vereinigte.
"Patti!" rief er.
Aber sein Ruf vermischte sich mit dem Heulen des Windes und dem unaufhörlichen Donnergrollen.
Tom wandte sich herum. Er ging mit schnellen Schritten in Richtung Tür.
"Was haben Sie vor?" fragte Sir Wilfried, der sich inzwischen auch erhoben hatte. Helen und Lady Margret kamen jetzt auch zu sich.
Tom drehte sich kurz herum.
"Ich muß Patti suchen!"
"Gehen Sie nicht hinaus!" rief Sir Wilfried. "Hören Sie auf meine Warnung! Sie haben Jarmilas Kräften nichts entgegenzusetzen!"
Tom atmete tief durch.
"Ich weiß", sagte er. "Aber wenn nur die geringste Chance besteht, Patti dort draußen zu finden, muß ich dorthin." Sir Wilfried strich sich mit einer nervösen Geste das Haar zurück. Von seinem Gesicht war im Halbdunkel kaum etwas zu sehen. Er trat auf Tom zu.
Dann sagte er düster: "Wenn sie wirklich dort draußen ist, dann kann niemand ihr noch helfen!"
*
Die Gestalt im Nebel drehte sich herum. Es war Jim. Er lief weiter und schien mich nicht zu erkennen.
"Jim!" rief ich und setzte zu einem kleinen Spurt an. Warum läuft er davon? ging es mir durch den Kopf. Jim rannte in Richtung des Sees.
Ein unbehagliches Gefühl stieg in mir auf. Aber durch die Anstrengung beim Laufen kam ich kaum zur Besinnung. Was wird hier gespielt?
Ich hatte das ungute Gefühl, direkt in eine Falle hineinzulaufen.
Dies ist ihr Reich! vergegenwärtigte ich mir. Jarmilas Welt, in der sie die Regeln bestimmt...
Sie mußte etwas vorhaben. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß dies alles zufällig geschah.
Jim blieb am Seeufer stehen. Er blickte hinaus auf das trübe Wasser. Seine Füße standen auf dem grauweißen Salzbelag, der sich am Ufer wie ein Leichentuch über all das gelegt hatte, was hier einst an Lebendigem existierte. Ich war ziemlich außer Atem, als ich ihn endlich einholte.
"Jim, warum läufst du vor mir davon! Verdammt noch mal, ich bin es, Patricia!"
Meine größte Furcht war in diesem Moment, daß ich vielleicht für ihn genauso unsichtbar war, wie für alle anderen. Daß er mich weder hören noch sehen konnte, so wie der Reverend auf dem Friedhof.
Jim drehte sich herum.
Er sah mich an.
Das Gesicht eines vertrauten Kollegen, ja, eines Freundes, mit dem ich so manche Erinnerung teilte. Wir hatten einiges zusammen durchgemacht.
Und dann begannen diese vertrauten Züge sich zu verändern. Zunächst war es kaum zu merken, dann wurde es immer deutlicher.
Die Linien wurde weicher und...
Weiblicher!
Binnen eines einzigen Augenaufschlags hatte er sich völlig verwandelt, und ich blickte in das teuflische Lachen Jarmilas, in deren rabenschwarzen Augen Blitze zuckten. Ihr Lachen hallte wie in einem Gewölbe.
Ich wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Und Jarmila musterte mich. Sie wirkte kalt und gnadenlos. Ich glaubte zu sehen, wie sie sich an meinem Schrecken erfreute.
Und ich spürte ihre mentale Kraft, die mit ungeheurer Wucht auf mein Bewußtsein traf. Sie will mir zeigen, wer die Stärkere ist und wer hier regiert! wurde es mir klar. Sie hatte die Macht - ich war ein Nichts. Genau das wollte sie mir deutlich machen.
"Wo ist Jim?" fragte ich.
Sie hob die Augenbrauen.
Während sie sprach
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