Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition)
gegangen und hatte gewählt. Jetzt legte er jedoch den Hörer wieder auf ohne ein Wort gesagt zu haben. Es schien keine Verbindung zu Stande gekommen zu sein. "Die Telefonleitung scheint unterbrochen zu sein", meinte er.
Im gleichen Augenblick ließ ein greller Blitz uns alle zusammenzucken. Der Donnerschlag, der ihm auf den Fuß folgte war so heftig, daß der Boden zu unseren Füßen vibrierte. Dies war kein gewöhnliches Gewitter, daß sich lange ankündigte.
Dies war der berühmte Schlag aus heiterem Himmel. Völlig unvorbereitet, geführt von einer Kraft, von deren Ausmaß sich niemand von uns eine wirkliche Vorstellung machte.
"Sie ist hier", stellte ich fest.
*
Jetzt erhob sich Helen. Sie trat auf mich zu. "Glauben Sie wirklich, daß Sie uns helfen können?" fragte sie. "Sie ist so übermächtig..."
"Ich weiß es nicht", sagte ich wahrheitsgemäß. "Wenn, dann nur mit Ihrer Hilfe. Aber fest steht, daß ich in jene Zwischenwelt vorgedrungen bin, in der sie zu existieren scheint... Ich weiß nicht genau, wie das geschah, aber..." Ein erneuter Donnerschlag unterbrach mich. Das Licht flackerte. Die Stromzufuhr stand kurz vor dem Zusammenbruch.
"Gehen Sie!" forderte Sir Wilfried. "Sonst wird sie uns vernichten!"
"Wenn sie es doch nur täte Vater!" rief Helen. "Aber statt dessen zieht sie es vor, uns zu quälen. Ich halte es nicht mehr aus! Sie hält mich hier gefangen. Ich kann Barnstable Manor nicht verlassen. Und meine Eltern auch nicht! Wenn wir es versuchen, hindert sie einen daran! Wie lebendig begraben sind wir! Begraben in einer Gruft, die zufällig die Form eines Landhauses besitzt!" Sie schluchzte auf. Dann wandte sie sich an ihren Vater. "So kann es nicht weitergehen, Dad!"
Ich sah sie an. "Was ist damals am See geschehen?" fragte ich.
Helen blickte mich an. Tränen glitzerten in ihren Augen.
"Fragen Sie meinen Vater", flüsterte sie. "Erzähl ihnen alles, Dad. Die ganze, traurige Geschichte..." Sie Wilfried atmete tief durch.
"Meine Frau und ich haben lange darauf warten müssen, ein Kind zu bekommen. Eines Tages stand ein kleines Mädchen vor unserer Tür. Es wußte nur seinen Namen..."
"Jarmila", sagte ich.
Sir Wilfried nickte. "Ja. Wir nahmen es bei uns auf. Es war ein eigenartiges Kind, mit seltsamen Fähigkeiten. Uns fiel das erst nach und nach auf. Sie schien das Wetter auf geheimnisvolle Weise beeinflussen zu können. Bald mied man uns in der Umgebung. Man munkelte, unsere Jarmila sei eine Wiedergeburt jener gleichnamigen Sturmhexe, über die es in unserer Gegend so viele Legenden gibt. Ein paar Jahre später bekamen wir ein leibliches Kind - Helen." Ein mattes, melancholisches Lächeln erschien auf Sir Wilfrieds Gesicht. Ein beinahe milder Ausdruck, den ich zuvor noch nie in seinen Zügen wahrgenommen hatte. "Wir hätten uns gewünscht, daß
beide Mädchen sich verstehen. Aber dem war leider nicht so. Seit Helens Geburt war Jarmila eifersüchtig auf sie und verfolgte sie mit ihrem Haß..."
"Was geschah am See, Sir Wilfried", fragte ich leise. Sir Wilfrieds Gesicht wurde traurig.
"Jarmila war zwanzig, Helen fünfzehn. Das Land und der See sahen nicht immer so aus, wie sie es heute tun. Jarmilas Fluch hat alles verderben lassen. Eine andere Erklärung haben wir jedenfalls nicht dafür, daß sich alles innerhalb weniger Jahre so verändern konnte. Ihnen ist die offensichtliche Lebensfeindlichkeit dieses Ortes sicher nicht entgangen. Kein Baum, kein Strauch scheint hier noch gedeihen zu können, in dieser Aura des Todes..."
Jetzt meldete sich Helen zu Wort. "Jarmila schwamm zu weit hinaus. Sie konnte nicht gut genug schwimmen, um zum Ufer zurückzukehren. Ich...", sie stockte, ehe sie weitersprach,
"vielleicht hätte ich sie retten können."
"Du konntest nichts dafür", erklärte Sir Wilfried rasch und unmißverständlich.
"Du brauchst mich nicht zu verteidigen, Vater", erwiderte Helen. "Ich war eine hervorragende Schwimmerin und habe nichts unternommen, um Jarmila zu retten..."
"Was hättest du tun sollen, Helen. Du hattest keine Chance!
Das hat später ein Gutachter auch festgestellt!"
"Ich weiß" sagte Helen mit einem harten, metallisch klingenden Unterton. "Aber Jarmila wird mich deshalb nicht freisprechen... Niemals!"
"Sie lag in unserer Familiengruft", erklärte Sir Wilfried nach kurzer Pause. "Dort wurde sie beigesetzt. Aber dennoch schien sie keineswegs tot zu sein. Immer wieder begegnete sie Menschen in der Umgebung. Wie ein furchtbarer Rachedämon suchte sie uns
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