Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition)
liebevoll gepflegt und ich dachte nicht im Traum daran, ihn gegen ein neueres, dafür aber seelenloses Modell einzutauschen. Der 190er war ein Geschenk von Tante Lizzy gewesen, die mich seit dem frühen Tod meiner Mutter wie ihre eigene Tochter aufgezogen hatte. Schon deshalb hätte ich mich nie von diesem Wagen trennen können. Er hatte eben eine ganz besondere Bedeutung für mich.
Ich stieg aus.
Der Mond stand schon als weiße Kugel am blauen
Himmel. Es würde eine klare Nacht werden. Und vermutlich eine ziemlich kalte. Aber wenigstens bestand eine gewisse Aussicht, daß am nächsten Morgen nicht das typische Londoner Dunstwetter herrschte, das einen nur in Depressionen stürzen konnte.
Ich ging in Richtung Haustür, wurde dann aber durch ein Geräusch abgelenkt. Ich ging über den etwas ungepflegten Rasen, der die Villa teilweise umgab und umrundete den Westflügel. Dann sah ich Tante Lizzy mit einer großen Schere eine Hecke beschneiden. Als sie mich kommen sah, ließ sie die Heckenschere sinken.
"Hallo, Patti!" begrüßte sie mich und wischte sich über die Stirn. Die alte Dame trug ein paar Arbeitshosen ihres verschollenen Mannes, die ihr natürlich viel zu groß waren. Normalerweise war ihre äußere Erscheinung immer ladylike und sehr stilvoll. So hatte ich sie selten gesehen.
"Tante Lizzy, laß mich doch solche Sachen machen!" sagte ich.
"Du denkst wohl auch, daß ich schon zum alten Eisen gehöre, was?"
"Nein, bestimmt nicht, Tante Lizzy!"
"Ich bin etwas schwach auf dem Herzen und deswegen werde ich wohl leider nie die Gelegenheit haben, den Tempel von Pa Tam Ran aufzusuchen, in dem dein Freund, dieser Mr. Hamilton, so faszinierenden Geheimnissen wie der Reinkarnation auf die Spur kam... Das Dschungelklima würde mich umbringen! Aber ansonsten bin ich noch ganz fit!"
Und während sie das sagte atmete sie tief durch. Sie sah mich lächelnd an. Dann setzte sie hinzu: "Aber vielleicht werde ich für heute erst einmal Schluß machen. War doch ganz schön anstrengend..."
Gemeinsam gingen wir um die Villa herum. Durch eine Verandatür, die Tante Lizzy offengelassen hatte, gingen wir hinein.
Jeden Fremden hätte das Innere der Villa schlicht erschlagen. Es war beinahe gleichgültig, in welchem Raum man sich befand: Überall waren lange Regale zu finden, die übervoll mit dicken Lederfolianten waren. Tante Lizzys Okkultismus-Archiv füllte beinahe das ganze Haus, einschließlich Keller und Dachboden. Ausgenommen waren nur die Küche, das Bad und jene Räume, die ich bewohnte. Scherzhaft nannte ich letztere daher auch oft die 'okkultfreie Zone'.
"Möchtest du eine Tasse Tee, Patti?" fragte Tante Lizzy.
"Habe ich dazu schon jemals nein gesagt?" Ich folgte ihr durch einen Raum, der eigentlich ein Salon war, auch wenn er mehr Ähnlichkeit mit dem Lesesaal einer Bibliothek hatte. Dann gingen wir durch einen Flur. Selbst hier war kaum ein Zentimeter an der Wand frei. Wurden die langen Reihen, der teilweise recht obskuren Bücher, die oft nur in geringen Sammlerauflagen oder als Privatdrucke erschienen waren, mal unterbrochen, so fanden sich an den entsprechenden Stellen dann eine Reihe von eigenartigen
'Ausstellungsstücken'. Geistermasken waren darunter, aber auch Kristallkugeln oder kleine Bronzestatuen vergessener Götter, die ihr Mann Frederik von seinen Forschungsreisen mit nach London gebracht hatte.
Ich folgte Tante Lizzy in die Küche.
Sie machte sich am Herd zu schaffen und setzte das Teewasser auf.
"Ich merke doch, da du mir irgend etwas sagen willst, Patti! Also nicht lange um den heißen Brei herum!" Ich mußte unwillkürlich lächeln.
"Hast du nicht schon einmal überlegt, ob es nicht sein könnte, daß auch in deinem Zweig der Familie übersinnliche Begabungen vorkommen?"
"Wie kommst du darauf?"
"Ich denke an Telepathie - Gedankenübertragung!"
"Damit hat das nichts zu tun, mein Kind. Ich kenne dich einfach nur schon sehr lange. Das ist alles." Ich seufzte.
"Beruhigend zu wissen."
"Wie meinst du das?"
"Ein paar Geheimnisse möchte man ja schon gerne für sich behalten." Ich sah Tante Lizzy einen Augenblick nachdenklich an und berichtete ihr dann von dem Auftrag, den Swann Tom und mir gegeben hatte.
Tante Lizzy hörte mir aufmerksam zu.
Als ich den Namen Brian Meany erwähnte, zogen sich ihre schmalen Augenbrauen etwas zusammen.
"Der Name ist mir ein Begriff. Meines Wissens verfaßte Brian Meany die weltweit umfangreichste Sammlung exorzistischer Rituale, ein Buch mit über
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