Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition)
angestrengt in die Nacht.
Aber da war nichts als Finsternis, prasselnder Regen und spärliches Licht, das vom Gasthaus herüberdrang. Von der Frau war nichts mehr zu sehen.
*
Tom schlug sich den Kragen seiner Jacke hoch. Er lief ein Stück in die Dunkelheit hinein, sah sich um und drehte sich dann in meine Richtung. Er zuckte die Achseln.
"Sie war hier", sagte er, als er zu mir zurückkehrte. "Wir beide haben sie gesehen..."
"Sie muß über gewaltige Kräfte verfügen...", flüsterte ich.
"Wer immer sie auch sein mag."
"Du glaubst, diese Blitze..."
"Hast du eine andere Erklärung?"
"Nein. Was wir erlebt haben, war völlig absurd!"
"Aber wir haben es erlebt, Tom! Du und ich! Und ich denke nicht, daß wir beide zur selben Zeit unter derselben Halluzination leiden!"
"Nein, das ganz sicher nicht!"
Uns beiden klebten die Haare feucht am Kopf. Wir waren ziemlich durchnäßt. Aber keiner von uns achtete im Augenblick darauf.
"Komm!" forderte Tom, nahm mich bei Hand und zog mich mit sich. Wir suchten noch einmal den Tankwart in seinem Häuschen auf. Der Wind blies durch die zersprungene Scheibe hindurch und wirbelte die Zeitschriften durcheinander. Die Augen des Tankwarts leuchteten angstvoll.
"Was wollen Sie noch?" rief er.
"Sie haben gerade doch auch die Frau gesehen!" erklärte Tom.
"Welche Frau?"
"Tun Sie nicht so! Sie..."
"Ich habe niemanden gesehen!"
Er war bleich. Der Schrecken stand ihm ins Gesicht geschrieben. Tom machte einen Schritt auf ihn zu. Der Tankwart hob abwehrend die Hände, so als wollte er sich vor einem unsichtbaren Schlag schützen.
"Gehen Sie!" rief er. "Gehen Sie endlich, Sie bringen nur Unglück... Verschwinden Sie!"
Seine Stimme wirkte jetzt regelrecht hysterisch.
"Es hat keinen Sinn", sagte ich an Tom gewand. "Komm, laß
uns gehen!"
*
Wir stiegen in meinen roten 190er und folgen der Abzweigung nach links.
Der Regen ließ etwas nach.
Die Straße war schmal und holprig. Das hügelige Umland war nur in schattenhaften Umrissen zu sehen.
Hin und wieder grollte noch der Donner irgendwo über und in den tiefhängenden, schwarzen Wolken, die wie eine dunkle Decke über uns hingen. Kein Mondlicht drang zur Erde. Und nicht ein einziger Stern war zu sehen. Wir befanden uns in einer lichtlosen Ödnis und konnten gerade soweit sehen, wie der Strahl der Scheinwerfer meines Mercedes reichte. Der Rest der Welt schien aus formlosen Schatten zu bestehen. Ich fuhr sehr langsam.
Die Straße wurde immer schlechter und schmaler. Wenn uns jemand entgegengekommen wäre, hätte ich zur Seite fahren müssen.
"Wir müßten bei Tag noch einmal nach Rimsbury zurückkehren", hörte ich Tom vorschlagen. "Irgendwer muß
diese Frau doch kennen. Sie war zu Fuß..."
"Tom, es hatte den Anschein, als ob sie einfach..."
"...verschwand?"
"Ja."
"Sollte man nicht immer zunächst die naheliegendste Erklärung annehmen?"
"Sie war nicht mehr da, Tom! Ich bin mir sicher!"
"Und woher weißt du das so genau? Wie willst du ausschließen, daß sie nicht in einer Mauernische bei der alten Kirche wartete und uns beobachtete?"
"Ich spürte die Anwesenheit einer geistigen Macht, Tom... Und als sie verschwand, war auch diese Macht nicht mehr anwesend. Da bin ich mir ganz sicher..." Wir fuhren eine ganze Weile die schmale Straße entlang. Schließlich sahen wir in der Ferne ein Licht auftauchen.
"Daß muß es sein!" war Tom überzeugt. Als wir uns weiter näherten, teilte sich der Lichtpunkt in der Dunkelheit in mehrere kleinere Lichtquellen auf. Dort schien tatsächlich jemand zu wohnen.
Das Gewitter schien wieder etwas heftiger zu werden. Das Grollen des Donners wurde lauter und wirkte wie eine ständige Drohung. Vereinzelt zuckten Blitze durch die Nacht. Und für Sekunden sah ich dann die grauen Mauern von Barnstable Manor hoch erhaben auf einem Hügel. Geisterhaft und unwirtlich wirkte dieses Anwesen. Ich hatte es ja bereits auf Jims Fotos gesehen und wußte um die unheimliche Ausstrahlung dieses Gebäudes.
Aber jetzt, im Licht der Blitze wirkte es noch seltsamer. Immer wieder zuckte es blauweiß über den Himmel, während der Regen nun langsam verebbte. Lediglich ein leichtes Nieseln blieb von ihm.
"Die werden begeistert sein, wenn wir um diese Zeit noch anklopfen!" meinte Tom.
"Wir müssen wissen, was hier vor sich geht, Tom. Um Jims Willen..."
"Ja, ich weiß..."
"Siehst du diese eigenartigen Bäume?" Das Scheinwerferlicht des 190ers strich gerade über einige besonders seltsame Exemplare. Bäume, die
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